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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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erzählt, wie man es vielleicht nur einer Tochter gegenüber tat.
    Geli war nicht sicher, wie sie auf diese Art von Vertraulichkeit reagieren sollte. Seit ihrem dritten Geburtstag war sie von ihrem Vater behandelt worden wie eine Rekrutin. Horst Bauers Verständnis von einem vertraulichen Gespräch zwischen Vater und Tochter lief darauf hinaus, dass man sich zusammensetzte und einen Zeitplan aufstellte. Sie hatte das alles ertragen, bis sie in die Pubertät gekommen war. Danach war in ihrem Elternhaus der offene Krieg ausgebrochen. Als Geli anfing, eine sexuelle Abenteuerlust wie ihr eigener Vater zu entwickeln, hatte der General jede Kontrolle verloren. Sie wusste, dass er sie unterschwellig für sich gewollt hatte, und das hatte ihr Macht über ihn verliehen. Sie war halb angezogen vor ihm auf und ab stolziert und hatte schamlos mit seinen Offizierskameraden geflirtet – mit Männern, die doppelt so alt waren wie sie – und ihre Psychotherapeuten verführt. Die resultierenden Schläge hatten sie nur in ihrem Kampfeswillen bestärkt.
    Geli war sechzehn, als sie herausfand, dass ihr Vater eine Geliebte hatte – tatsächlich waren es mehrere –, und endlich das Geheimnis um ihre Mutter löste. Achtzehn Jahre Untreue und Gewalt hatten aus einer liebenden Frau eine erbärmliche Hülle ihres einstigen Selbst werden lassen, eine verlorene Seele, die nur für ihren nächsten Drink lebte. Als Geli den General deswegen zur Rede stellte, hatte er ihr in die Augen gesehen und gesagt, sie hätte die Schwachstelle eines jeden starken Mannes gefunden. Männer mit großen Begabungen brauchten mehr als eine Frau, um ihre Leidenschaft zu bezähmen, und je früher sie diese Wahrheit begriff, desto besser wäre es für sie. Der Streit endete wie so viele vorher damit, dass er sie verprügelte.
    Doch als Geli zur Universität gegangen war, hatte sie rasch herausgefunden, dass die Worte ihres Vaters wohl auch für starke Frauen galten. Kein Mann war imstande, ihre Lust nach intensiven Erfahrungen auf Dauer zu befriedigen. Am Tag ihres Abschlusses – eines doppelten Abschlusses in Arabisch und Ökonomie – war sie zu einer Rekrutierungsstelle in einer Shopping Mall gegangen und als Private der U. S. Army beigetreten.
    Nichts auf der Welt hätte ihren Vater wütender machen können. Mit einem einzigen Akt des Aufbegehrens hatte Geli all seine Macht und seinen Einfluss von sich gewiesen und ihn vor seinen Kameraden von West Point der Lächerlichkeit preisgegeben. Sie folgte ihm in seine Fußstapfen. Der General fing an zu trinken und wurde psychisch instabil, was schließlich zum Selbstmord seiner Frau führte. Geli hatte nie herausgefunden, was den Lebenswillen ihrer Mutter letztendlich gebrochen hatte. Eine weitere Geliebte? Ein Faustschlag zu viel? Was es auch war, sie hatte ihrem Vater niemals verziehen.
    Im Gegensatz dazu hatte Peter Godin siebenundvierzig Jahre friedlich mit seiner Frau zusammengelebt und sie nicht ein einziges Mal betrogen, auch wenn ihre Ehe kinderlos geblieben war. Während der alte Mann von einer Reise nach Japan erzählte, die er vor vielen Jahren unternommen hatte, musste Geli an JohnSkow denken und seinen Plan, Peter Godin die Schuld für Andrew Fieldings Tod in die Schuhe zu schieben.
    »Sir?«, fragte sie unvermittelt und unterbrach den mühsamen Redeschwall des alten Mannes.
    Godin blickte verlegen auf. »Ich habe ununterbrochen geplappert, nicht wahr? Tut mir Leid, Geli. Aber es lenkt mich von den Schmerzen ab.«
    »Das ist es nicht, Sir. Ich möchte Ihnen etwas sagen.«
    »Ja?«
    »Sie sollten John Skow nicht vertrauen. Er ist derjenige, der Nara erpresst hat, Sie zu töten. Skow denkt, dass Trinity ein Fehlschlag wird, und er will Ihnen alle Schuld daran zuschieben.«
    Godin lächelte entrückt. »Das weiß ich bereits, Geli. Ich bin sicher, dass auch Ihr Vater bei diesem Plan mit von der Partie ist.«
    »Aber … warum unternehmen Sie dann nichts dagegen?«
    »Sobald der Prototyp den Trinity-Zustand erreicht, sind sie machtlos. Bis dahin habe ich Sie zu meinem Schutz, Geli.«
    »Aber wenn Sie ihnen nicht vertrauen, Sir, warum haben Sie sie dann benutzt?«
    »Weil sie vorhersehbar sind, Geli. Selbst in ihrem Verrat. Ihre Gier macht sie berechenbar. Das ist das Tier im Menschen.«
    »Was ist mit mir, Sir? Warum vertrauen Sie mir Ihren Schutz an? Weil Sie mich gut bezahlen?«
    »Nein, Geli. Ich beobachte Sie nun seit zwei Jahren. Ich weiß, dass Sie Ihren Vater hassen, und ich kenne den Grund

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