Geraubte Erinnerung
nichts.«
»Wie weit ist es bis dorthin?«
»Acht Stunden.« Ich überholte ein langsameres Fahrzeug und kehrte auf die rechte Fahrspur zurück. »Machen Sie es sich bequem, und gönnen Sie sich eine Mütze Schlaf.«
»Ich kann im Auto nicht schlafen.«
»Das ist keine Limousine, sondern ein Pick-up.«
»Besserwisser.«
Die Tatsache, dass wir dem Suchflugzeug entkommen waren und den Präsidenten erreicht hatten, hatte in uns beiden ein Gefühl von Hochstimmung aufkommen lassen, doch es würdenicht lange anhalten. »Ich mache keine Witze, Rachel. Versuchen Sie zu schlafen. Morgen früh werden Sie jedes bisschen Energie brauchen.«
»Wofür?«
»Wir fahren in die Berge.«
19
G eli Bauers Adrenalinspiegel war in schwindelnden Höhen. Sie war aufgepeitscht von der Jagd. Ihre Ressourcen waren bis zum Bersten ausgeschöpft mit der Jagd nach Tennant und Weiss auf der einen und der Suche nach Lu Li Fielding auf der anderen Seite. Doch immer dann, wenn Zorn über das fehlende Personal in ihr aufsteigen wollte, rief sie sich die irakische Wüste ins Gedächtnis, wo ihre gesamte Streitmacht aus nicht mehr als acht Delta Force Commandos bestanden hatte.
Ihr jüngstes Sorgenkind war Jutta Klein, die deutsche MRI-Expertin. Klein hatte allem Anschein nach die Lücken in ihrer Überwachung ausgenutzt und war nach Atlanta gefahren, um in eine Lufthansa-Maschine nach Deutschland zu steigen. Die deutsche Regierung hatte versprochen, in jeder nur denkbaren Weise behilflich zu sein, doch Geli wusste, dass man Klein und ihre neu gewonnenen Erkenntnisse mit offenen Armen willkommen heißen würde.
Geli wirbelte mit ihrem Sessel herum. Jemand mit dem für diesen Tag gültigen Zugangskode hatte den Summer entriegelt und war durch die Tür in ihr Kontrollzentrum gekommen. John Skow trat aus dem Schatten. Er trug seinen üblichen Anzug von Brooks Brothers, doch in seinen Augen glitzerte entweder Angst oder Aufregung.
»Was machen Sie denn hier?«, fragte sie. »Was ist passiert?«
Skow setzte sich rittlings auf einen Stuhl ihr gegenüber und verschränkte die beinahe femininen Hände auf der Rückenlehne.
»Tennant hat soeben mit dem Präsidenten telefoniert. Matthews sitzt in Air Force One auf dem Weg von Beijing nach Shanghai. Unsere Routineüberwachung über China hat das Gespräch abgefangen, und ich habe eben die Verschlüsselung geknackt.«
Geli hatte das Gefühl, als hätte sie gerade die Tür eines Hochofens aufgerissen. Kein Wunder, dass Skow nicht am Telefon hatte sprechen wollen. »Was haben sie geredet?«, fragte sie.
»Der Präsident wollte einen Treffpunkt mit dem Secret Service arrangieren, sodass er Tennant aufnehmen konnte, doch Tennant hat nicht angebissen.«
»Also hat Matthews uns unsere Geschichte abgekauft? Oder glaubt er Tennant?«
Skow biss sich auf die Unterlippe wie ein Mann, der die Chancen abwägt. »Ich würde sagen, er neigt eher zu unserer Version. Allerdings hat er Tennant eine faire Anhörung zugesichert.«
»Und wann und wo soll das geschehen?«
»Ewan McCaskell und der Secret Service werden sich mit Tennant treffen und ihn aufsammeln, sobald der Präsident zurück ist. Tennant vertraut McCaskell.«
»Wann kommt der Präsident zurück?«
»In vier Tagen.«
»Sprechen wir von D. C.?«
»Ja.«
»Perfekt.«
»Wieso?«
Geli hatte bereits vorhergesehen, dass Tennant versuchen könnte, Washington zu erreichen. »D. C. verschafft uns die perfekte Coverstory, um Tennant auszuschalten. Wir fangen augenblicklich damit an, ihn zu diskreditieren, indem wir ausschmücken, was wir bereits über ihn verbreitet haben. Die Nebenwirkungen von Tennants MRI-Scan haben sich dramatisch verschlimmert. Er steckt mitten in einer tiefen Psychose. Tennant hat seinen Sicherheitsmann erschossen und Dr. Weiss gekidnappt.«
»Und?«
»Und nun ist er eine Bedrohung für das Leben des Präsidenten.«
Skows Augen verengten sich zu Schlitzen. »Aber er hat gerade mit dem Präsidenten gesprochen. Und er hat keine Drohungen ausgestoßen.«
Geli verdrehte die Augen. »Tennant sagt, was er sagen muss, um in die Nähe des Mannes zu kommen, den er töten will. Indem wir ihn als geisteskranken Attentäter darstellen, können wir jeden Metro-Cop von Washington dazu benutzen, Jagd auf ihn zu machen. Und wenn wir ihn erst als Harvey Lee Oswald präsentiert haben, wird der Secret Service ihn nicht in die Nähe des Präsidenten lassen.«
»Das ist eine elegante Strategie, Geli. Was benutzen wir, um unsere Behauptungen zu
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