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Geraubte Herzen

Geraubte Herzen

Titel: Geraubte Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Dodd
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gewusst und ihre Meinung nie geändert.
    Sie dachte an jenen Abend zurück, als sie auf der Veranda gesessen hatte und mit anhören musste, wie die Gemeindemitglieder ihre Eltern verunglimpften. Sie hatte nie begriffen, wie man so ungerecht und so grausam sein konnte. Sie wäre so gerne wütend gewesen - manchmal war sie das auch -, aber wenn ihr das Leben besonders freudlos erschien, hörte sie die Stimme ihres Vaters. Hope, vertraue auf Gott, denn er hält dich in seiner Hand. Daran musste sie glauben. Der Glaube war alles, was ihr von ihrem Vater geblieben war.
    Jetzt, da sie älter war und anderes Unrecht, andere Grausamkeiten erlebt hatte, war sie sicher, dass jemand von diesen Leuten in Hobart der Unterschlagung schuldig war - und des Mordes. Des Mordes an ihren Eltern. Aber sie wusste nicht, wer, und sie stand vor der Wahl, ob sie den Schuldigen suchen sollte oder ihre Geschwister. Sie hatte sich entschieden, Gabriel, Pepper und Caitlin zu finden - und das würde sie auch.
    Bis zu diesem Tag hatte sie nur ihre Freunde - und was für Freunde das waren! »Danke für den Schal, Sarah. Und Madam Nainci, danke, dass sie immer für mich da sind. Ich kann es gar nicht oft genug sagen. Ich bin jeden Tag dankbar …« Hopes Stimme geriet unvermutet ins Zittern, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Ah, Hope, wir sind doch auch dankbar, dass wir dich haben.« Sarah legte einen Arm um Hope und streckte den anderen nach Madam Nainci aus.

    Die drei umarmten einander und freuten sich an dem Moment der Nähe.
    Madam Nainci zwickte die beiden, eine nach der anderen, mit ihren bemalten Acrylnägeln ins Kinn. »Ihr seid gute Kinder. Liebe Kinder. Euch beiden wird Gutes widerfahren, das weiß ich.« Sie nickte in Richtung Mr. Wealaworth, der mit hochgezogenen Schultern an seinem Schreibtisch arbeitete und die weiblichen Gefühlsbekundungen geflissentlich übersah. »Fünfhundert Dollar im Monat sind ein Anfang, was, Hope?«
    »Oh, ja«, versicherte Hope aufgeregt.
    Denn das Schaltbrett summte.
    Madam Nainci warf einen Blick auf das Blinklicht. »Mrs. Monahan.«
    »Gut! Ich wollte noch mit ihr sprechen, bevor ich zum Unterricht gehe.« Hope verließ mit einem liebevollen Lächeln ihre beiden Freundinnen und nahm das Gespräch an. »Hallo, Mrs. Monahan, wie geht es Ihnen an diesem sonnigen Tag?«
    Es war sonnig, und der Himmel war so blau, man hätte glauben können, es sei warm. Aber wie so vieles in Boston war auch das nur eine Chimäre. Die Temperatur kreiste um den Gefrierpunkt und sollte nachts auf minus zwanzig Grad fallen. Hope, die sich wehmütig der milden texanischen Winter erinnerte, erschien das grausam.
    Mrs. Monahan erwiderte mit ihrer entzückenden, irisch gefärbten Stimme: »Ah, mein Liebes, es geht mir so gut, und ich wollte Ihnen sagen, dass das Gehgestell wunderbar funktioniert. Ich bin heute in den Lebensmittelladen gegangen, es hat alles in den Korb gepasst.«
    »Sie waren im Lebensmittelladen?« Hope stellte sich die kleine alte Frau mit den kurzen, graugewellten Haaren und den vorgebeugten Schultern vor, wie sie sich über vereiste
Gehsteige zum Lebensmittelhändler schleppte. »Es ist kalt!«
    Mrs. Monahan kicherte nachsichtig. »Das stimmt, aber ich bin eine zähe alte Krähe.«
    »Wenn Sie mich den Sozialdienst anrufen ließen -«
    »Nein, ich will niemandem zur Last fallen!« Wenn sie es darauf anlegte, konnte Mrs. Monahans Stimme knallen wie eine Peitsche. »Aber jetzt, mein Liebes, will ich wissen, wie die Physikprüfung gelaufen ist.« Sie hörte sich wieder wie die süße alte Dame an, für die Hope sie auch hielt.
    Hope seufzte schwer. »Ich hatte achtundachtzig Punkte. Bis jetzt habe ich noch eine Zwei. Aber gerade noch. Beim nächsten Test kann ich mich nicht mehr so durchmogeln.« Hope kaute auf der Unterlippe. »Ich muss das College mit einer Eins vor dem Komma abschließen.«
    Mrs. Monahan sagte sanft. »Ich glaube, diese Naturwissenschaften, die sie da belegt haben, sind nicht Ihr Fall.«
    »Nicht mein Fall?« Hope entspannte sich lächelnd.
    »Ich denke, Sie hätten Psychologie oder Geschichte oder Kunst studieren sollen. Etwas, das ein bisschen weicher ist und besser zu Ihrem Charakter passt.«
    Hope machte die Augen zu und erinnerte sich einen schmerzlichen Moment lang, wie viel Spaß ihr die Kunststunden gemacht hatten. Ihre Mutter hatte sie jeden Dienstag zum Einzelunterricht gefahren. Miss Campbell, ihre High-School-Lehrerin, war schwierig und anspruchsvoll gewesen, aber

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