Geraubte Seele
das Licht aus.
Als es wieder hell wurde, lag ich auf einem Diwan und war mit einem dünnen Laken zugedeckt.
„Sie haben mir ganz schön Angst eingejagt“, freute sich der Lokalbesitzer, mich wieder bei Bewusstsein zu sehen. Zu gerne hätte ich ihm gesagt, er solle sich nicht ins Hemd machen, nur hätte ich dafür Kraft benötigt und die hatte mir die bissige Schlange bis zum letzten Tröpfchen aus meinem Körper gesaugt.
„Das Bad befindet sich hinter der Tür“, deutete er mit der Hand zu der rechten der zwei Türen. Ich sah es nicht, denn mir fehlte nicht nur die Kraft, sondern auch die Muße, den Kopf zu drehen. Als ich vor Stunden diesen Raum betrat, war ich durch die andere Tür gekommen. Dieser Raum verfügte nur über zwei Türen, also wusste ich auch ohne nachzuschauen, wo ich das Bad finden würde.
„Lassen Sie sich ruhig Zeit. Danach fahre ich Sie, wohin Sie wollen.“ Eigentlich wollte ich gar nicht fahren. Aufs Duschen verzichtete ich auch. Ich wollte nur die Augen schließen und schlafen.
Noch nicht, ermahnte ich mich selbst und mobilisierte meine letzten Kraftreserven.
Er hielt den Wagen vor meinem Hotel an.
„Kann ich noch etwas für Sie tun?“ Ich blickte durch das Fenster zum Hoteleingang. Die paar Schritte kamen mir plötzlich wie Meilen vor.
„Ja, das können Sie tatsächlich“, sagte ich, meine Tasche in die Hand nehmend. Man hatte sie mir heute am frühen Nachmittag abgenommen, um sie ins Restaurant zu bringen. Darin waren meine Sachen verstaut. Schließlich konnte ich nicht in der Burka nach Hause laufen.
„Sehen sie den schwarzen Wagen hinter uns?“ Der Mann blickte in den Rückspiegel.
„Der, der neben den Containern steht?“
„Sie würden mir einen riesigen Gefallen tun, wenn Sie dafür sorgen könnten, dass der Fahrer mindestens für die nächsten zwanzig Minuten nicht aus dem Wagen raus kann.“ Ich stieg aus und begab mich langsam zum Hoteleingang.
Als ich es schlussendlich aus dem Hotel schaffte, war auf der Straße einiges los. Die Polizei war gekommen und die Beamten hatten einen Abschleppwagen gerufen. Der Fahrer des abgestellten Fahrzeuges war unauffindbar. Er hatte sein Auto in der zweiten Spur so nah neben der schwarzen Limousine abgestellt, dass mein Verfolger die Fahrertür nicht aufmachen konnte. Die Beifahrertür war durch Mülltonnen blockiert. Er saß fest.
Ich stieg in eines der Taxis am Stützpunkt ein und ließ mich nach Hause bringen.
Zuhause dachte ich nun, ich könnte mich endlich meinem Schmerz hingeben und mich richtig fallen lassen. Das mit dem Fallenlassen hätte ich jedoch nicht so ernst meinen sollen. Als ich mich vor der Toilette auf den Boden sinken ließ, ahnte ich noch nicht, was es mir für Probleme machen würde, mich wieder aufzurichten.
Eine heiße Dusche würde wahre Wunder vollbringen.
Das war ihr jedenfalls schon öfter gelungen.
Nun stand ich vor der Dusche und starrte die kleine Hürde an, über die ich steigen sollte, um in die Duschkabine zu gelangen. Doch mein Fuß wollte sich nicht vom Boden lösen und auch mit beiden Händen konnte ich nicht die nötige Kraft aufbringen, um ihn drüber zu heben. Ich resignierte. Sie hatten mich nicht angerührt, nicht berührt, nicht einmal mit Blicken abgetastet.
Es muss nicht sein. Ausnahmsweise.
Ich wollte es morgen nachholen.
Ich nahm die Tube in die Hand, um mir die heilende Salbe auf den wunden Rücken aufzutragen. Auch das gelang mir nicht. Jetzt starrte ich wiederum meine Hände an, die so zitterten, dass ich den Schraubverschluss nicht aufbringen konnte.
„Fuck“, sprang mir ein Wort über die Lippen, das ich sonst nie benutzte. Nichts ging mehr. Weder vorwärts noch rückwärts, nicht oben und auch nicht unten. Dem Zusammenbruch nah, stand ich weiterhin nackt mitten im Bad mit dieser beschissenen Tube in der Hand und hatte keine Ahnung, wie ich in mein Bett kommen sollte.
„Mach die Tür zu!“ Ich war selbst erstaunt, wie es meine Stimme schaffte – und dann auch noch so laut - meine trockene Kehle hochzuschießen.
Ich verfluchte diesen Mann und hoffte, er würde bis in alle Ewigkeiten in seinem Wagen eingesperrt bleiben.
Ich verfluchte den Hausverwalter, weil er gerade in diesen Tagen die eine Steigleitung tauschen lassen musste, die unser zweites Bad betraf.
Ich verfluchte mich, weil ich mich in das Leben meines Mitbewohners eingemischt habe. Der verbrachte jetzt die Nächte in der Wohnung, anstatt sich diese in
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