Gerechte Engel
sichtbar.
»Dent«, sagte Bree. Sie stieg die Treppe hinunter und ging ihm entgegen. »Sehr schön. Ich wollte ohnehin mit Ihnen reden.«
»Muss auch mit Ihnen sprechen. Dachte, wir könnten vielleicht irgendwo was essen gehen.«
»Zuerst einmal müssen wir ein paar Dinge klarstellen.« Sie ging zurück, um die Haustür aufzuschließen. »Kommen Sie doch kurz rein.«
»Das geht nicht«, erwiderte er.
»Müssen Sie noch eine Fahrt für Sunward machen?«
»Nein. Meine Schicht ist zu Ende. Deshalb dachte ich ja, wir könnten irgendwo ein Chili essen. Oder vielleicht auch einen Hamburger.«
»Es wäre besser, wenn wir uns unter vier Augen unterhielten«, sagte Bree. »Außer Lavinia sind alle nach Hause gegangen, aber sie ist oben in ihrer Wohnung und kommt erst morgen früh wieder runter.«
»Ich kann nicht reinkommen.«
»Sie können nicht?«
»Ich bin draußen. Haben Sie das vergessen?«
»Draußen?«, wiederholte Bree. »Oh! Sie meinen, ausge… Ach so, ja. Natürlich.« Der arme Kerl. War es denn in Ordnung, auf seinen Status anzuspielen? Fragen konnte sie ihn das wohl kaum, dazu hatte sie kein Recht. »Sie sind draußen. Und ich bin drinnen. Hinter dem Zaun, meine ich. Was schwatze ich denn da eigentlich? Sorry. Ich komme sofort zu Ihnen.«
Sascha trottete vor ihr her und wartete, bis sie das Tor geöffnet hatte. Nachdem er mit ihr nach draußen getreten war, nahm er Dent kurz in Augenschein, um ihn dann nicht weiter zu beachten.
»Netter Hund«, meinte Dent.
»Eine Kreuzung aus Golden Retriever und russischer Dogge. Wegen des Doggenanteils ist er so groß.«
»Er arbeitet für Sie?«
»Ja.«
Dent beugte sich nach unten, um Sascha zu streicheln, der jedoch mit höflicher Bestimmtheit zurückwich.
»Oje«, sagte Bree. »Sonst ist er sehr zutraulich.«
»Tja, das gehört wohl mit zum Programm.«
»Weil man … draußen ist.« Bree biss sich auf die Lippe. »Jedenfalls«, fuhr sie munter fort, »bin ich froh, dass Sie vorbeigekommen sind. Ich würde mich nämlich gern ganz offen mit Ihnen über meine Rolle als Bürgin unterhalten.«
Statt seiner schwarzen Jacke trug Dent jetzt ein Sportsakko aus Tweed, das schon bessere Tage gesehen haben musste. Die ausgebeulten Hosen aus Köper hatte er anbehalten. Auf seinem allmählich kahl werdenden Kopf saß weit nach hinten geschoben ein schmuddliger blauer Fischerhut. Er stand mit verschränkten Armen da, die eine Hüfte zur Seite geschoben. Die Schnürsenkel seiner abgeschabten Lederschuhe waren ausgefranst und voller Knoten. Immerhin hatte er sich vor Kurzem rasiert und roch schwach nach Kreosotseife.
»Wie steht’s denn nun mit einem Hamburger?«
»Tja, ich glaube, so was würden wir bei B. Matthew’s bekommen«, sagte Bree. »Gleich gegenüber.«
»Da ist es mir zu schick. Ich würde lieber in ein Restaurant gehen, wo man was Anständiges zwischen die Zähne kriegt. Nicht in so ’nen Nobelschuppen.«
»Wie wär’s mit Pizza?«, fragte Bree. »Mit Fleischklößchen? Dann könnten wir zu Huey’s gehen.«
»Huey’s ist mir zu versnobt. Gibt’s hier nicht irgendwo ein White Castle?«
»Schon seit Jahren nicht mehr«, erklärte Bree. »Wenn es unbedingt Junkfood sein soll, muss ich passen.«
»Dann gehen wir eben zu Huey’s.«
Bree und Antonia wohnten ganz in der Nähe der Angelus Street, in einem Reihenhaus mit Blick auf den Savannah. Der Fluss wurde von stattlichen Lagerhäusern gesäumt, die noch aus der Zeit stammten, als Savannah eine betriebsame Hafenstadt gewesen war, von der aus in alle Welt Baumwolle verschifft wurde. Die meisten dieser Lagerhäuser waren seitdem umgebaut worden und beherbergten jetzt Geschäfte, Büros, Restaurants und luxuriöse Apartments.
Sie gingen die Angelus Street bis zur Mulberry Street hinunter und bogen dann nach rechts in die Bay Street ein. Bree drückte auf den Knopf an der Ampel. Als die kleine weiße Figur erschien, nahm Dent mit der Entschlossenheit eines Pfadfinders ihren Arm, was Bree amüsierte und gleichzeitig aufbrachte. Sascha trottete hinter ihnen her. Als sie an Brees Haus vorbeikamen, drehte er ab und verschwand in Richtung Hintertür.
»Er kann sich selbst die Tür öffnen«, erklärte Bree. »Antonia wird überhaupt nicht merken, dass er weg war. Zu Huey’s geht’s hier entlang.« Sie schüttelte Dents Arm ab und stieg die schmiedeeiserne Treppe hinunter, die vom Factor’s Walk zur Front Street führte.
Im Frühling und im Sommer wimmelte es auf der Front Street gewöhnlich von
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