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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Dworkin
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offensichtlichen Formel zurückgreifen – oder zumindest schien es ihnen so. Ein gelungenes Leben zu führen hieß ihnen zufolge, in Gottes Gnade zu leben, was wiederum gleichbedeutend damit ist, das von Gott als Naturgesetz erlassene moralische Gesetz zu befolgen. Diese Formel hat den Vorteil, zwei eigentlich begrifflich verschiedene Fragen unter einen Hut zu bringen, nämlich zum einen die Frage, wie Menschen zu ihren ethischen und moralischen Überzeugungen gelangen, und zum
39 anderen die Frage, ob diese Überzeugungen richtig sind. Die Macht Gottes erklärt die Entstehung dieser Überzeugungen: Wir glauben, was wir glauben, da Gott es uns direkt oder vermittelt über die uns von ihm verliehene Kraft der Vernunft offenbart hat. Gottes Güte rechtfertigt zudem den Inhalt dieser Überzeugungen: Wenn Gott der Schöpfer unseres moralischen Sinnes ist, dann ist dieses Vermögen natürlich verläßlich. Daß wir etwas glauben, ist bereits Beweis der Richtigkeit der jeweiligen Überzeugung, und darum müssen die Aussagen der Bibel und der Kirche ebenfalls wahr sein. Diese Formel erwies sich jedoch als nicht ganz unproblematisch. Am schwersten hatten die christlichen Philosophen mit dem sogenannten Problem des Bösen zu kämpfen: Wenn Gott allmächtig ist und alles Gute exemplifiziert, warum gibt es dann so viel Leid und Ungerechtigkeit in der Welt? Dennoch waren sie sicher, daß solche Rätsel innerhalb des von ihrer Theologie bereitgestellten Rahmens gelöst werden könnten. Die Moral der Selbstbejahung behielt die Zügel fest in der Hand.
    Die lange Herrschaft dieses moralischen Ansatzes endete mit den philosophischen Explosionen der Spätaufklärung. Die einflußreichsten Philosophen bestanden nun auf einem strengen erkenntnistheoretischen Regelwerk. Ihnen zufolge können wir unsere Meinungen nur dann für wahr erklären, wenn die beste Erklärung dafür, warum wir sie überhaupt haben, dafür spricht, daß sie tatsächlich wahr sind. Dazu muß gezeigt werden, daß die betreffenden Meinungen entweder unanzweifelbarer Vernunft entspringen, wie in der Mathematik, oder daß sie den Einwirkungen der natürlichen Welt auf unser Gehirn geschuldet sind, wie im Fall der empirischen Entdeckungen der noch im Entstehen begriffenen, aber bereits verblüffenden Naturwissenschaften. Im Rahmen dieses neuen epistemologischen Regimes wurden Wertüberzeugungen unmittelbar zu einem Problem, das die Philosophie seither zu bewältigen versucht. Wir sind nicht dazu berechtigt, unsere moralischen Überzeugungen für wahr zu halten, solange diese sich nicht als Forderun
40 gen der reinen Vernunft oder als Effekte von etwas »da draußen« in der Welt verstehen lassen. Hieraus entstand eine der größten mentalen Blockaden: Um Werte ernst nehmen zu können, müssen wir sie auf etwas anderes als eben Werte zurückführen können.
    Die Philosophen des Christentums und anderer Religionen konnten den neuen epistemologischen Code zumindest teilweise respektieren, da es für sie tatsächlich etwas »da draußen« gab, das als Grundlage ihrer moralischen Überzeugung dienen konnte. Dies gelang ihnen allerdings nur, indem sie gegen die naturalistische Bedingung verstießen. Philosophen, die diese zusätzliche Bedingung akzeptierten, standen vor einer größeren Herausforderung. Wenn etwa die beste Erklärung dafür, daß wir Diebstahl und Mord für falsch halten, nicht in Gottes wohltätigem Willen, sondern in einer natürlichen Veranlagung des Menschen zum Mitgefühl mit dem Leiden anderer oder in der Nützlichkeit der von uns ersonnenen konventionellen Eigentums- und Sicherheitsarrangements zu suchen ist, dann trägt das nichts zur Rechtfertigung dieser Überzeugungen bei. Im Gegenteil kann die harte Trennung der Ursache unserer ethischen und moralischen Überzeugungen von jeder entsprechenden Rechtfertigung sogar Anlaß zu dem Verdacht geben, daß jene Überzeugungen überhaupt nicht wahr sind oder wir zumindest keinen guten Grund haben, sie für wahr zu halten.
    Dem großen schottischen Philosophen David Hume wird meist der Gedanke zugeschrieben, daß empirische Entdeckungen über die Beschaffenheit der Welt, Enthüllungen über den Gang der Geschichte, Einsichten in das fundamentale Wesen der Materie oder Wahrheiten über die menschliche Natur niemals irgendwelche Schlußfolgerungen darüber rechtfertigen können, was sein soll, ohne daß dafür eine zusätzliche Prämisse oder Annahme darüber, was sein soll, hinzugezogen wird.
 6 Oft wird

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