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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Dworkin
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Es ist ethisch unverantwortlich, hinsichtlich Ihrer Lebensführung Kompromisse zu machen, um ein besseres Leben zu haben, und wenn Ihre hohe Lebensqualität solchen Kompromissen geschuldet ist, wäre es unangemessen, im Hinblick auf sie Freude oder Stolz zu empfinden. Man könnte (unter Verwendung eines ökonomischen Begriffs, den John Rawls dann in der Philosophie populär gemacht hat) sagen, daß der Wert einer gelungenen Lebensführung gegenüber dem eines guten Lebens lexikalischen Vorrang hat.
 9 Trotzdem hat auch das gute Leben einen eigenständigen Wert. Sie sollten sich freuen, wenn Ihr Leben gut ist, aber nicht, wenn Ihr Erfolg auf Betrug basiert, und wenn Ihre Lebensqualität aufgrund von großem Pech oder weil Sie selbst betrogen wurden nicht besonders hoch ist, sollten Sie das bedauern.
    Zwei ethische Prinzipien
    Lassen Sie mich Sie an dieser Stelle daran erinnern, daß die Unterscheidung zwischen einer gelungenen Lebensführung und dem guten Leben letztlich im Dienste einer bestimmten Hypothese steht. Wir können Ethik und Moral nicht in einem umfassenden interpretativen Rahmen zusammenführen, indem wir annehmen, daß moralisches Verhalten entscheidend für das gu
343 te Leben ist, aber der Gedanke, daß es für eine gelungene Lebensführung wesentlich sein könnte, ist durchaus bedenkenswert. Eine solche Beziehung nur in eine Richtung zu belegen, indem wir zeigen, daß Menschen kein gelungenes Leben führen können, ohne ihre moralischen Pflichten zu erfüllen, bringt uns aber nicht viel weiter. Es mag eine durchaus attraktive Sichtweise sein, aber sie kann uns nicht dabei helfen, jene Pflichten genauer zu bestimmen. Wir würden die ethische Verantwortung von der moralischen abhängig machen, nicht aber umgekehrt, denn das könnte nur von einer interpretativen Verbindung erreicht werden, die in beide Richtungen verläuft. Um als Verbindung zu unserem interpretativen Projekt beizutragen, muß es hier um Integration und nicht nur um eine Art Einverleibung gehen.
    Lassen Sie mich den Unterschied kurz erklären. Wir können die Weise, wie das richtige Verhalten und die gelungene Lebensführung miteinander verbunden sind, substantiell auf zweierlei Weisen verstehen. Zum einen können wir die Auffassung vertreten, daß eine gelungene Lebensführung moralisches Verhalten voraussetzt. Dann könnten wir zwar sagen, daß die Lebensführung jenes Prinzen hinter dem zurückbleibt, was ihm möglich gewesen wäre, aber wenn wir herausarbeiten, was moralisch ist, würden wir uns darauf einlassen, ausschließlich über den Bereich der Moral nachzudenken, und der Gehalt der Moral wäre in keiner Weise von einem anderen Aspekt oder einer Dimension einer gelungenen Lebensführung abhängig. Eine Möglichkeit ist also, daß die Moral einfach Teil einer gelungenen Lebensführung ist, ohne daß diese Tatsache in irgendeiner Weise beeinflußt, was die Moral von uns verlangt. Wir könnten aber auch sagen, daß der Inhalt der Moral zumindest teilweise etwas mit der von ihr unabhängigen Beschaffenheit unserer ethischen Verantwortung zu tun hat. Ebenso wie unsere moralische Verantwortung anderen gegenüber unsere ethische Verantwortung mitbestimmt, könnte die Antwort auf die Frage, was wir anderen schulden, unter anderem von letzterer
344 abhängen. Wenn wir uns für diese zweite Sichtweise entscheiden, können wir Moral und Ethik in der interpretativen Weise integrieren, die ich in den vorangehenden Kapiteln erläutert habe.
    Die meisten Religionen verstehen die Werte, die im Zentrum ihres Glaubens stehen, hingegen auf jene erste Weise. Eine gelungene Lebensführung setzt für sie zwar voraus, daß man sich einem oder mehreren Göttern unterwirft, aber den Gedanken, daß man daraus irgend etwas darüber ableiten kann, was es mit diesen Göttern oder ihrem besonderen Status auf sich hat, oder daß wir sie besser verstehen lernen können, indem wir fragen, wie sie beschaffen sein müßten, damit sie zu ehren tatsächlich Teil einer gelungenen Lebensführung ist, lehnen sie vollkommen ab. Ein Gott sei schlicht, was oder wer er eben ist, und es sei darum an uns und gehöre zu unserer Verantwortung für unser eigenes Leben, dies so weit es uns möglich ist herauszufinden und dem, was wir so erkennen, dann in unserem Handeln gerecht zu werden. Dies ist auch die Auffassung, die wir mit Bezug auf wissenschaftliche Tatsachen vertreten. Wie ich bereits erklärt habe, treffen wir in der Wissenschaft eine strikte Unterscheidung

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