Gerechtigkeit fuer Igel
Absichten, Motive, Überzeugungen und Emotionen sein kann, ob diese nun introspektions- oder beobachtungsbasiert ist, überhaupt irgendeinen moralischen oder ethischen Unterschied machen?
Epiphänomenalismus
Das Kausalprinzip setzt sich aus zwei Teilen zusammen: Es verneint die Verantwortung für den Fall, daß entweder der Determinismus oder der Epiphänomenalismus wahr ist. Beginnen wir mit dem zweiten Teil: Wir sind nur dann verantwortlich, wenn unseren Entscheidungen eine kausale Macht zukommt. Nehmen wir an, alles was Sie tun, wird in ihrem Nerven- und Muskelsystem in Gang gesetzt, bevor Sie eine Entscheidung treffen, es zu tun. Alle Ihre Entscheidungen, von den einfachsten bis zu den komplexesten und folgenreichsten, sind nur Teil eines im nachhinein gedrehten Dokumentarfilms, der sich im Inneren Ihres Geistes abspielt: Was Sie tun, verursacht Ihr Gefühl, daß Sie sich dafür entschieden haben, es zu tun, und nicht andersherum. Diese Hypothese ist natürlich faszinierend. Aber was hat sie mit reflexiver Verantwortung zu tun?
Verantwortung ist eine ethische oder moralische Angelegenheit: Sie betrifft ausschlaggebende Entscheidungen, ob diese nun kausal wirksam sind oder nicht. Wir könnten sagen, daß
395 jemand, der sich dazu entscheidet, eine andere Person zu verletzen, dessen Entscheidung aber rein epiphänomenal ist, nur des Versuchs schuldig ist. Er versucht mit aller Anstrengung, etwas Schlechtes zu tun. Aber er scheitert daran, weil seine Entscheidung nicht die Ursache dessen ist, was geschieht. Er will seinen Rivalen umbringen und trifft die Entscheidung; die Waffe, die er in der Hand hält, gibt einen Schuß ab, und der Rivale stirbt. Aber er hat ihn nicht getötet; wir könnten sagen, es sei nur sein programmiertes Reptiliengehirn gewesen. Was folgt daraus? Zumindest in dieser Art von Fall ist versuchter Mord moralisch gesehen genauso schlecht wie erfolgreicher Mord.
Juristen lieben es, sich Fälle wie diesen auszudenken: A mischt Arsen in Bs Kaffee in der Absicht, ihn zu töten, aber als B gerade im Begriff ist, den Kaffee zu trinken, wird er von C erschossen. A ist nicht des Mordes, sondern nur des versuchten Mordes schuldig. Dennoch ist A moralisch gesehen genauso schuldig, wie er es als Mörder gewesen wäre; das ist die Annahme, die es schwierig macht, die juristische Frage – warum sollte A weniger hart bestraft werden als C? – zu beantworten. Juristen finden oder erfinden praktisch-politische Gründe sowie Verfahrensgründe, um zu erklären, warum versuchter Mord weniger hart bestraft werden sollte als Mord. Wir möchten die Menschen dazu ermutigen, es sich im letzten Moment doch noch anders zu überlegen; wir können nicht sicher sein, ob A B nicht doch noch kurz vor seinem Schluck Kaffee gewarnt hätte. Aber diese eher praktisch-politischen Gründe sind hier irrelevant. Warum also sollten wir nicht sagen, daß die Person, die ihren Rivalen zu ermorden versucht, daran aber scheitert, weil ihre Entscheidung nicht die Ursache, sondern nur die epiphänomenale Folge ihres Verhaltens ist, nichtsdestotrotz moralisch gesehen schuldig ist? Sie ist reflexiv verantwortlich dafür, es versucht und ihr Bestes getan zu haben.
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Ich gebe zu, daß dieser Vergleich zwischen der Handlung einer einzelnen Person und den Handlungen zweier unterschiedlicher Personen seltsam ist. Es ist seltsam, eine Person
396 und ihr Reptiliengehirn als zwei unterschiedliche Handelnde zu betrachten, so wie A und C in dem imaginierten Juristenszenario. Aber genau diese künstliche Aufspaltung der Person wird vom kausalen Kontrollprinzip gerade vorausgesetzt. Normalerweise behandeln wir Menschen als einheitliche Personen: Dieselbe Person, die einen Geist hat, hat auch ein Gehirn, Nerven und Muskeln, und in ihrem Handeln spielt all das eine Rolle. Das kausale Kontrollprinzip trennt den Geist vom Körper, personifiziert einen Teil des Geistes als einen Handelnden namens »Willen« und fragt dann, ob dieser Handelnde tatsächlich den Körper, in dem er wohnt, ursächlich dazu bringt, auf eine bestimmte Weise zu handeln, oder ob es sich nur um einen Schwindler handelt, der Hebel in Bewegung setzt, die mit dem Rest gar nicht verbunden sind. Das ist ein eigenartiges Bild, und man kann das Kausalprinzip allein schon aus diesem Grund für eigenartig halten. Wenn wir dieses Bild aber akzeptieren, dann müssen wir die Person-in-der-Person zur Verantwortung ziehen für das, was sie zu tun versucht hat, außer es liegen andere
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