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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Dworkin
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wenn sie militärisch in Florida intervenieren würde, um die dortigen Exekutionskammern zu schließen oder die gleichgeschlechtliche Ehe zu etablieren. Ökonomische und militärische Sanktionen, die unweigerlich zu großem Leid führen – und meistens die schwächsten Mitglieder des ins Visier genommenen Staates treffen –, sind nur gerechtfertigt, um wirklich barbarische Handlungen zu unterbinden wie etwa die Ermordung, Inhaftierung oder Folter von politischen Gegnern oder systematische und brutale Diskriminierung.
    Wenn Sie zur Trümpfe-über-Souveränität-Klassifikation neigen, könnten Sie auf diesen Einwand entgegnen, daß jene Men
565 schenrechtskonventionen zu einer allzu breiten Ausdehnung der Kategorie der Menschenrechte geführt haben, daß nur Rechte, deren Verletzung wirklich als barbarisch anzusehen ist, in diese Kategorie gehören und daß der Rest in eine andere Kategorie herabgestuft werden sollte. Das wäre aber eine Schande, weil die Idee, daß die gesamte Bandbreite der in diesen Rechtsdokumenten genannten Rechte mit der von der Bezeichnung »Menschenrechte« suggerierten universellen Autorität ausgestattet sind, sich für internationale politische Aktivisten und Organisationen, vor allem aber für nationale und internationale Gerichte als ziemlich nützlich erwiesen hat. Wenn wir diese Kategorie stärker einschränken würden, müßten wir für all die Rechte, die in diesen anderen Kontexten anerkannt und durchgesetzt werden können, eine neue Kategorie erfinden, und darum ist es besser, eine weitgefaßte Klassifikation zu gebrauchen. Das macht es nicht unbedingt erforderlich, all die Rechte anzuerkennen, die sich in den etwas extravaganteren Konventionen aufgelistet finden, aber zumindest macht es deutlich, warum bestimmte Staaten und Gruppen der Versuchung nachgegeben haben, bestimmte Rechte mitaufzunehmen.
    In den entsprechenden Debatten ist noch ein anderer Weg vorgeschlagen worden, die Menschenrechte von anderen politischen Rechten zu unterscheiden, nämlich indem das Augenmerk nicht auf die sanktionsermächtigende Kraft von Menschenrechten, sondern auf deren substantiellen Gehalt gelegt wird. Gesucht wird nach Formulierungen, die zeigen, warum die Menschenrechte eine in einem noch näher zu bestimmenden Sinn eine besonders wichtige Klasse der politischen Rechte bilden. Diese Formulierungen haben sich jedoch als recht vage erwiesen, weil es einfach schwierig ist, eine solche Unterscheidung zu treffen. Alle politischen Rechte sind besonders wichtig. Wenn ich der Auffassung bin, daß ein Staat das richtig verstandene Gebot der gleichen Berücksichtigung verletzt, weil er den wirtschaftlichen Ertrag freier Markttransaktionen nicht in ausreichendem Maße zugunsten der ärmeren Bevölkerungs
566 schicht umverteilt, dann enthält er damit meines Erachtens einigen seiner Bürger eine Art von Leben vor, auf das sie einen Anspruch haben. Bestimmte Menschen sind also ungerechterweise zu einem Leben in Armut verdammt. Was könnte wichtiger sein als das? Wie soll man die Menschenrechte auf eine Weise abgrenzen, daß eine noch grundlegendere Ebene der materiellen Unterstützung, die von der Idee der Menschenwürde gefordert wird, hervorgehoben wird? Wie diese Frage bereits suggeriert, haben sich alle theoretischen Versuche, eine fundamentalere Ebene noch drängenderer Forderungen auszumachen, als willkürlich erwiesen.
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    Aus diesen Gründen schlage ich eine alternative Strategie vor, die auf eine Unterscheidung zurückgeht, die ich in der Diskussion über Legitimität im 14. Kapitel eingeführt habe. Es ist international und auch innerstaatlich umstritten, welche politischen Rechte Menschen haben. Wie wir eben gesehen haben, streiten wir uns darüber, welches Wirtschaftssystem von der richtigen Konzeption der gleichen Berücksichtigung gefordert wird. Ebenso uneinig sind wir uns in der Frage, was als angemessene Achtung der individuellen ethischen Verantwortung zählt: In manchen Staaten ist eine bestimmte Religion die offizielle Staatsreligion, während in anderen, etwa in den Vereinigten Staaten, die Einrichtung einer Staatskirche als unvereinbar mit der Verfassung betrachtet wird. Wir sind uns über politische Rechte noch in zahllosen weiteren Hinsichten uneins. Aus diesem Grund müssen wir darauf bestehen, daß Menschen zwar ein politisches Recht auf gleiche Berücksichtigung und gleiche Achtung gemäß der richtigen Konzeption haben, daß sie aber zudem über ein abstrakteres und daher

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