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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Dworkin
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Verteilungsgerechtigkeit, die unseren beiden Prinzipien gerecht wird. Die beschriebenen Wohlfahrtsansätze zeigen, daß wir weder das Glück der Menschen noch ihre Chancen oder Fähigkeiten, glücklich zu werden, als grundlegende Metrik verwenden dürfen, sondern auf eine andere, möglichst wenige Annahmen über Wohlfahrt oder Wohlergehen voraussetzende Weise überprüfen müssen, ob Gleichheit gegeben ist. Es muß um Ressourcen statt um Wohlfahrt gehen, und zudem muß zwischen persönlichen und unpersönlichen Ressourcen unterschieden werden. Persönliche Ressourcen sind die körperlichen und geistigen Vermögen eines Individuums; sein so abstrakt wie möglich verstandener Reichtum hingegen macht die unpersönlichen Ressourcen aus, die ihm zur Verfügung stehen. Nur jene unpersönlichen Ressourcen können ohne Rückgriff auf substantielle Annahmen über die Wohlfahrt bemessen, im Rahmen von ökonomischen Transaktionen verteilt und über das Steuersystem oder andere Regierungsprogramme umverteilt werden. Eine erste Annäherung an das Ziel der gleichen Berücksichtigung ist daher die Gleichheit der Mitglieder unserer politischen Gemeinschaft hinsichtlich dieser materiellen Ressourcen. Sich dieses Ziel zu setzen erscheint vielleicht zunächst pervers, weil die so verstandene Gleichheit etwas betrifft, das wir nur als Mittel zum Zweck schätzen.
 7 Einem vernünftigen Menschen sind Ressourcen nicht um ihrer selbst willen wichtig, sondern nur insofern sie ein bestimmtes Leben oder eine Lebensführung ermöglichen. Aber genau das ist der
602 Punkt. Wenn eine Gemeinschaft die individuelle ethische Verantwortung ihrer Mitglieder achten will, muß sie sich im Rahmen der politischen Einigung auf eine faire Verteilung der Mittel beschränken und die Wahl der Zwecke jedem Bürger selbst überlassen.
 8
    Ressourcengleichheit
    Der Neidtest
    Wie sähe eine politische Einigung aus, die beiden Prinzipien der Würde gerecht wird, und welche Verteilung der Ressourcen würde sie bestimmen? Um diese Frage zu beantworten, habe ich an anderer Stelle ein Gedankenexperiment vorgeschlagen.
 9 Stellen Sie sich vor, eine Gruppe von Menschen sei auf einer einsamen Insel gestrandet, auf der eine Vielzahl natürlicher Ressourcen zur Verfügung steht. Jeder von ihnen erhält die gleiche Anzahl von Muscheln als Chips, mit denen man an einer Versteigerung der dann in Privateigentum übergehenden Ressourcen der Insel teilnehmen kann. Wenn nach Beendigung der Auktion jeder damit zufrieden ist, seine Muscheln möglichst effektiv eingesetzt zu haben, werden notwendig die folgende Bedingungen eines »Neidtests« erfüllt sein: Niemand wird sein Bündel an Ressourcen gegen das eines anderen tauschen wollen, weil er ja in der Lage gewesen wäre, jenes andere zu ersteigern, wenn er das gewollt hätte. Weil also in diesem Sinn die resultierende Situation keinen Neid zuläßt, wird jeder gleichermaßen berücksichtigt. Alle Inselbewohner betrachten ihre persönliche Lage als Ergebnis dieser gleichen Berücksichtigung, da das, was ein jeder besitzt, auf seine eigenen und die Wünsche der anderen zurückgeführt werden kann. Ein solches Vorgehen respektiert zudem die individuelle Verantwortung, die jeder Teilnehmer der Auktion für seine eigenen Wertvorstellungen trägt. Jeder erwirbt mit seinen Muscheln die Res
603 sourcen, die er für am besten geeignet hält, ihm ein in seinen Augen möglichst gutes Leben zu ermöglichen. Die Lebensplanung der Inselbewohner wird durch die Entscheidungen der jeweils anderen und dadurch, was ihnen für ihr wie auch immer gestaltetes Leben zur Verfügung steht, eingeschränkt, nicht aber durch ein kollektives Urteil darüber, was im Leben wichtig ist. Relevant sind nur die echten Opportunitätskosten, die seine Entscheidungen für andere haben. (Ich gehe in einer Anmerkung näher darauf ein, wie diese Opportunitätskosten beschaffen sind und was für eine Rolle sie bei der Ausarbeitung einer Gerechtigkeitstheorie spielen; dabei werde ich auch Samuel Freemans entsprechende Überlegungen diskutieren.
10 )
    Die in diesem Gedankenexperiment vorgestellte Verteilung wird beiden Prinzipien der Würde gerecht, weil sie eine plausible Interpretation der gleichen Berücksichtigung und umfassenden Achtung aller ermöglicht. Tatsächlich sind wir aber keine schiffbrüchigen Überlebenden, die auf einer neu entdeckten und üppig ausgestatteten Insel gestrandet sind. Inwieweit und auf welche Weise kann ein solches Gedankenexperiment

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