Gerechtigkeit fuer Igel
letztlich nicht mehr allein auf ihre Entscheidungen zurückgeführt werden können, und somit ist der Markt nicht länger egalitär.
Ex ante oder ex post ?
Wie sollen wir auf dieses Problem reagieren? In einem fairen Wettlauf starten die Teilnehmer alle von derselben Linie. Sie sind sozusagen ex ante gleich. Nach dem Rennen sind sie natürlich nicht mehr in derselben Position, und einer von ihnen hat 606 ex post alle anderen überholt. Welcher zeitliche Fokus ist in Fragen der Gerechtigkeit entscheidend? Erfordert die gleiche Achtung aller, zu versuchen, dem Neidtest so weit wie möglich ex ante gerecht zu werden, bevor Transaktionen und Zufälle ihre Wirkung tun können, oder eher ex post , wenn alles bereits geschehen ist? Eine Regierung, der es um Gleichheit ex post geht, versucht diejenigen Bürger, die keine wirtschaftlich verwertbaren Fertigkeiten haben, mit den besser ausgerüsteten auf eine Stufe zu stellen und erkrankte oder sonstwie beeinträchtigte Menschen auf das andernfalls von ihnen erreichte Niveau zu heben. Wenn eine Regierung sich hingegen die Gleichheit ex ante zum Ziel setzt, geht sie ganz anders vor. Dann geht es darum, daß alle Bürger mit jenen Kontingenzen von einer gleichen Ausgangsposition aus konfrontiert sind und daß sie die Möglichkeit haben, sich zu den gleichen Bedingungen dagegen zu versichern, wenige wirtschaftlich verwertbare Talente oder großes Pech zu haben.
Auf den ersten Blick könnte man vielleicht denken, daß eine Ex-post -Kompensation angestrebt werden sollte. Wenn ich meine Arbeit verliere, eine schlimme Verletzung erleide oder schwerbehindert bin und nur das erhalten würde, was eine Versicherungspolice als Kompensation auszahlt, bin ich nach wie vor sehr viel schlechter gestellt als andere. Typischerweise gleicht die Auszahlung einer Versicherung die entstandenen Kosten nicht in vollem Maße aus. Bei bestimmten Unglücksfällen, wie zum Beispiel starken körperlichen Behinderungen, ist uns die Unmöglichkeit, Menschen zu ihrer früheren Stellung zu verhelfen, aufs schmerzlichste bewußt. Man könnte daher meinen, daß die gleiche Berücksichtigung aller verlangt, daß die Gemeinschaft, solange sie die Situation von Menschen, die einem Unglück zum Opfer gefallen sind, auch nur marginal verbessern kann, das tatsächlich tun muß. Selbst wenn er realisierbar wäre, würde ein solcher Ex-post -Ansatz aber ein sehr fragwürdiges Verständnis gleicher Berücksichtigung zum Ausdruck bringen. Der Ex-ante -Ansatz ist hier vorzuziehen.
607 Unterschiede in Einkommen und Besitz sind oft auf Glück oder Unglück im Zusammenhang mit Investitionen zurückzuführen. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, daß Sie und ich die Finanzberichterstattung mit derselben Sorgfalt studieren und dann unterschiedliche Investitionen tätigen, die aber gleichermaßen intelligent sind. Während Ihre Aktien mit der Zeit an Wert gewinnen, fallen die meinen, und nun sind Sie reich und ich arm, nur weil Sie mehr Glück hatten. Wenn unsere politische Gemeinschaft es sich zur Aufgabe machen würde, die Auswirkungen solcher Zufälle vollkommen zu neutralisieren, würde das auch dem in unserem jeweiligen Vorgehen zum Ausdruck kommenden Verantwortungsbewußtsein jede Bedeutung nehmen. Wenn der Staat unseren Investitionsentscheidungen auf diese Weise ihre Bedeutung nehmen würde, würden wir nichts mehr investieren.
Viele unserer wichtigsten Entscheidungen betreffen Investitionen, deren Konsequenzen letztlich auf gewisse Weise vom Zufall abhängen. Eine Entscheidung für eine bestimmte Ausbildung kann zum Beispiel stets von unvorhergesehenen technologischen Veränderungen zunichte gemacht werden, die unsere spezifische Ausbildung nutzlos machen. Wenn die Gemeinschaft sich darum bemüht sicherzustellen, daß unser Schicksal in keiner Weise davon abhängt, ob jene Investitionen sich letztlich auszahlen – wenn also unabhängig davon, ob unsere Berufswahl sich langfristig als unseren Vorlieben, Talenten oder der wirtschaftlichen Situation angemessen erweist, garantiert wird, daß wir hinsichtlich unseres Wohlstands allen anderen gleichgestellt sind –, dann wäre das eine zu starke Beeinträchtigung unserer Verantwortung für unsere eigenen Entscheidungen. Ein plausibler Ex-post -Ansatz müßte daher zwischen unvorhersehbaren Folgen von Investitionen und anderen Formen des Glücks und Pechs unterscheiden und erstere als Umverteilungsfaktoren ausschließen.
Diese Unterscheidung läßt sich aber kaum
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