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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Dworkin
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uns unter den ganz anderen Bedingungen moderner Wirtschaftssysteme anleiten? Eine negative Lehre können wir sofort aus ihm ziehen: Eine Plan- oder sozialistische Wirtschaft, in der Preise, Gehälter und Produktionsraten in einer kollektiven Entscheidung von Regierungsvertretern festgelegt werden, wäre für die Umsetzung unserer so verstandenen Werte nicht geeignet. Die Organisation einer Planwirtschaft spiegelt kollektive Entscheidungen darüber wider, welche Zielsetzungen und dementsprechend welche Ressourcen am besten für ein gutes Leben sind. Ein freier Markt steht also nicht wie oft angenommen im Konflikt mit dem Ideal der Gleichheit, sondern ist vielmehr für echte Gleichheit unbedingt erforderlich. Ein egalitäres Wirtschaftssystem ist letztlich ein kapitalistisches Wirtschaftssystem.
    Lassen Sie mich diese sehr gewagte Behauptung aber sofort auf zwei Weisen einschränken: Erstens ist ein entscheidender
604 Aspekt der Gerechtigkeit jener Auktion auf der Insel, daß der Preis, den die Menschen für das zahlen, was sie erwerben, tatsächlich die wahren Opportunitätskosten der Ersteigerung für die anderen reflektiert, während tatsächliche Märkte in kapitalistischen Ökonomien oft auf eine Weise verzerrt sind, die es unmöglich macht, diese Bedingung zu erfüllen. Damit ein Markt möglichst frei und effizient ist, bedarf es geeigneter Regelungen, die vor Verzerrungen aufgrund von Monopolen oder externen Effekten schützen. Ein (kürzlich erst wieder aktuell gewordenes) Beispiel für solche gefährlichen Verzerrungen besteht darin, absurde Risiken um überzogener Profite willen einzugehen, wenn jene Risiken in erheblichem Maße von Menschen getragen werden, die nicht an der Entscheidung beteiligt waren und kaum etwas von den Profiten haben. Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft eventuelle Auswirkungen auf das Klima: Weil es schwer ist, den Markt so zu organisieren, daß die Opportunitätskosten des heutigen Energieverbrauchs für zukünftige Generationen berücksichtigt werden, scheint es notwendig zu sein, dies von außen zu regulieren. Den freien Markt auf diese Weise zu beeinflussen verstößt nicht gegen unser Verständnis der gleichen Berücksichtigung aller, sondern setzt sie im Gegenteil durch, weil so die Ressourcen, die jedem jeweils zur Verfügung stehen, besser an die wahren Opportunitätskosten ihrer Handlungen und ihres Konsums angeglichen werden.
    Hinzu kommt eine zweite Einschränkung, die ganz anderer Natur ist und die ich im folgenden genauer erörtern möchte. Wie Sie sich erinnern, habe ich behauptet, daß in jener imaginierten Versteigerung eine gleiche Berücksichtung aller zum Ausdruck kommt, weil die daraus resultierende Situation den von mir vorgeschlagenen Neidtest besteht. Was die Inselbewohner jeweils besitzen, wird von ihren eigenen Entscheidungen bestimmt, unter Berücksichtigung der von den anderen auf derselben Basis getroffenen Entscheidungen. Nachdem die Versteigerung vorbei ist und die wirtschaftliche Aktivität einge
605 setzt hat, wird jener Test aber recht schnell scheitern. Nehmen wir an, daß die Inselbewohner in der Landwirtschaft oder in der mechanischen Produktion arbeiten, daß sie konsumieren, indem sie von den ersteigerten Ressourcen Gebrauch machen, und daß sie in Transaktionen miteinander eintreten, um ihre Lage zu verbessern. All diese Tätigkeiten resultieren in Unterschieden, die ihre jeweiligen Entscheidungen widerspiegeln – etwa zu konsumieren anstatt zu sparen, sich auszuruhen anstatt zu arbeiten, oder Gedichte zu verfassen, die anderen weniger gefallen als zum Beispiel das sich stets großer Beliebtheit erfreuende Getreide. Trotz solcher Unterschiede kann der Neidtest immer noch bestanden werden, wenn man die zeitliche Dimension miteinbezieht, da es letztendlich weiterhin von den eigenen Entscheidungen abhängt, über welche Ressourcen die Inselbewohner verfügen. Es gibt aber auch Unterschiede, die aus Sicht des Tests problematisch sind. Manche Inselbewohner sind von Natur aus nicht sehr gut darin, etwas zu produzieren, das einen hohen Marktwert hat, andere werden krank oder tätigen durchaus verantwortungsbewußte Investitionen, die nichtsdestotrotz scheitern. Daß sie für ihre Lebensgestaltung auf weniger Ressourcen zurückgreifen können, liegt also nicht daran, welche Entscheidungen sie getroffen haben, sondern ist trotz jener Entscheidungen der Fall. In solchen Fällen sind die Bedingungen des Neidtests nicht erfüllt, weil ihre Ressourcen

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