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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Dworkin
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Ihm kommt auch nicht zwangsweise ein größerer instrumenteller Wert zu als anderen politischen Verfahren. Wenn die Legitimität eines politischen Systems durch verfassungsrechtliche Regelungen erhöht werden kann, die
663 mit einer gewissen Ungleichheit der Wirkung einhergehen, jedoch nicht den Makel der Mißachtung mit sich bringen oder riskieren, dann wäre es kontraproduktiv, diese Regelungen auszuschließen. Damit ist der entscheidende Schwachpunkt der majoritären Auffassung benannt. Obwohl es nicht falsch ist, den Wert der gleichen Wirkung zu betonen, mißversteht diese Konzeption sein Wesen und auch seine Grenzen. Mit ihrer problematischen Fetischisierung der Wirkungsgleichheit beschädigt sie letztlich den Wert, um den es hier eigentlich geht, nämlich den der positiven Freiheit.
    Aus diesen Gründen sollten wir uns für die partnerschaftliche Auffassung der Demokratie entscheiden. Ich möchte betonen, daß es sich dabei nicht nur um eine sprachliche Festlegung handelt, wie wir diesen beliebten Ehrentitel in Zukunft verwenden werden. Indem wir uns für die partnerschaftliche und gegen die majoritäre Konzeption entscheiden, erklären wir, daß es keinerlei automatische oder notwendige Einschränkung irgendeines politischen Werts darstellt, sich für verfassungsrechtliche Regelungen zu entscheiden, die es etwas weniger wahrscheinlich machen, daß die politischen Entscheidungen den Präferenzen der Mehrheit entsprechen. Das läßt allerdings einige schwierige Fragen unbeantwortet, die sich hier stellen. Die partnerschaftliche Konzeption der Demokratie fordert nicht automatisch die gleiche politische Wirkung für die Stimme eines jeden Bürgers. Manchmal tut sie das aber sehr wohl. Wann ist das der Fall? Und warum?
    Repräsentative Regierung
    Ich möchte an dieser Stelle einen Vorschlag zur Verteilung der Begründungslast machen. Legitimität setzt eine Verteilung der politischen Macht voraus, welche die allen Bürgern seitens der Gemeinschaft geschuldete gleiche Berücksichtigung und Achtung zum Ausdruck bringt. Damit ist eine Art Standardfall eta
664 bliert: Immer dann, wenn die Stimmen verschiedener Bürger sich hinsichtlich ihrer Wirkung auf signifikante Weise unterscheiden, ist das undemokratisch und ein Unrecht, wenn nicht zwei Bedingungen erfüllt sind, von denen die eine negativ und die andere positiv ist. Erstens darf damit nicht signalisiert oder vorausgesetzt werden, daß manche Menschen von Geburt an dazu bestimmt sind, über andere zu herrschen. Es darf weder eine Aristokratie der Geburt geben, was Aristokratien des Geschlechts, der Kaste oder der ethnischen Herkunft einschließt, noch eine Aristokratie der Wohlhabenden oder besonders Talentierten. Zweitens muß es Gründe zu der Annahme geben, daß das vorgeschlagene Verfassungssystem, das zu Unterschieden in der Wirkung führen würde, die Legitimität der Regierung vergrößern würde.
    Die erste Bedingung schließt bestimmte strukturelle Diskriminierungen bei der Wahl aus, die hoffentlich heute zumindest in reifen Demokratien weitgehend der Geschichte angehören. In diesen Staaten gilt das Erwachsenenwahlrecht inzwischen prinzipiell für alle Bürger beider Geschlechter und aller ethnischen und religiösen Gruppierungen. In den Vereinigten Staaten und anderswo finden wir jedoch noch immer Überbleibsel früherer Diskriminierung. In der Vergangenheit haben US -amerikanische Bundesstaaten bei der Wählerregistrierung und der Wahl selbst Hürden errichtet, die nichts als verschleierte Versuche waren, verachtete und gefürchtete ethnische Gruppen und arme Bevölkerungsschichten – was oft auf dasselbe hinauslief – vom Wahlrecht auszuschließen. Das tun manche Bundesstaaten noch heute: Kürzlich ist in Illinois eine Regelung in Kraft getreten, die von Wählern die Vorlage eines Führerscheins oder eines anderen Identitätsnachweises mit Bild verlangt. Solche Identitätsnachweise fehlen vor allem den ärmsten Bürgern, und obwohl der Oberste Gerichtshof die Regelung für verfassungsgemäß erklärte, ist diese Entscheidung ein Fehler gewesen.
15 Die erste Bedingung dürfen wir nirgendwo einfach als gegeben erachten.
    665 Diese Bedingung wird jedoch automatisch von all jenen verfassungsrechtlichen Regelungen erfüllt, die die politische Wirkung aller Bürger gleichermaßen einschränken; wenn eine wichtige Entscheidung dem gewählten Parlament statt einem Referendum vorbehalten wird, dann kann nicht befürchtet werden, daß irgendeiner Person

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