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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Dworkin
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Eigenschaft ist, handelt es sich um eine substantielle Aussage erster Ordnung. Wenn eine sozialwissenschaftliche Studie zeigen würde, daß die Idee der Folter anders als Sie oder ich bisher dachten selbst ganz normale Menschen nicht entrüstet, würde das doch wahrscheinlich nichts an Ihrer moralischen Bewertung ändern. Hingegen müßte jemand, der moralische Eigenschaften für sekundäre Eigenschaften hält, dem zufolge die
108 Verwerflichkeit von Folter also in ihrer Disposition besteht, die meisten normalen Menschen zu entrüsten, in dieser substantiellen moralischen Frage dann seine Meinung ändern. Selbst wenn es aber der Fall wäre, daß alle normalen Menschen Folter für verwerflich hielten, ist die dispositionale Erklärung ihrer Verwerflichkeit nicht moralisch neutral, weil sie nicht nur behauptet, daß die meisten oder normale Menschen auf eine bestimmte Art auf Folter reagieren, sondern darüber hinaus, daß diese Reaktion die Verwerflichkeit der Folter konstituiert. Aus dieser weitergehenden Behauptung lassen sich bestimmte substantielle und umstrittene konditionale oder kontrafaktische Aussagen ableiten. Welche konditionalen oder kontrafaktischen Aussagen genau aus der dispositionalen Auffassung folgen, hängt davon ab, wie sie letztendlich ausformuliert wird. Besonders entscheidend wäre hier die Frage, inwieweit und auf welche Weise die Extension moralischer Eigenschaften durch unsere Naturgeschichte festgelegt ist.
17 Das bedeutet nicht, daß moralische Eigenschaften primäre Eigenschaften sind, sondern daß die Frage, ob sie es sind, eine substantiell moralische ist.
    Verschiedene Sprachspiele?
    Richard Rorty
    Lassen Sie mich kurz das bisher Gesagte zusammenfassen. Zunächst habe ich versucht zu zeigen, daß ein Vertreter des Statusskeptizismus ein Argument gegen die von ihm zurückgewiesene These finden muß, daß moralische Urteile objektiv wahrheitsfähig sind, das aber nicht die substantiellen moralischen Aussagen erster Ordnung unterminiert, die er unangetastet lassen will. In diesem Zusammenhang habe ich zwei alternative Möglichkeiten diskutiert. Man könnte zum einen erklären, daß es sich bei der abgelehnten Position, also bei mindestens einer meiner weitergehenden Ausführungen, um eine philosophische Aus
109 sage zweiter Ordnung mit einer anderen Bedeutung handelt, also um eine von den nicht in Frage stehenden substantiellen Urteilen erster Ordnung unterschiedene Art von Sprechakt. Bisher haben wir uns mit dieser Strategie befaßt.
    Wenden wir uns nun der zweiten Strategie zu. Ein Vertreter des Statusskeptizismus könnte sich auch entscheiden, meine weitergehenden Ausführungen zu akzeptieren statt zurückzuweisen, und zwar als einfache Wiederholungen oder Variationen meiner anfänglichen Stellungnahme zur Verwerflichkeit von Abtreibungen. Er könnte sagen, daß sein Skeptizismus auf ein anderes Diskursuniversum beschränkt ist – oder, in Wittgensteins berühmter Formulierung, auf ein anderes Sprachspiel. Dies könnte er in Analogie dazu verdeutlichen, wie wir über fiktionale Charaktere sprechen. Im Rahmen des Sprachspiels der fiktionalen Welt erkläre ich, daß Lady Macbeth mindestens einmal verheiratet war, bevor sie Macbeth heiratete.
18 Wenn ich nun im Rahmen des Sprachspiels der realen Welt behaupte, daß es nie eine Lady Macbeth gegeben und daß Shakespeare sie nur erfunden hat, ist das kein Selbstwiderspruch. Meine beiden Behauptungen sind miteinander vereinbar, weil sie sich auf unterschiedliche Sprachmodi oder Diskursuniversen beziehen. Analog könnte ein Vertreter des Statusskeptizismus behaupten, daß die Aussage, Folter sei immer und objektiv verwerflich, im Rahmen des Sprachspiels der Moral durchaus akzeptabel ist, während er im Sprachspiel der realen Welt sagen kann, daß es so etwas wie Verwerflichkeit nicht gibt.
    Richard Rorty war der erste, der einen solchen Statusskeptizismus nicht nur im Hinblick auf moralische und andere Werturteile, sondern in bezug auf Aussagen im allgemeinen verteidigt hat. Hier ist eine für Rortys Sichtweise typische Aussage:
     
    Unter der sicherlich gegebenen Voraussetzung, daß es sich auszahlt, über Berge zu sprechen, besagt eine der offensichtlich wahren Aussagen über Berge, daß es sie gab, ehe von ihnen die Rede war. Wenn man das nicht glaubt, ist man wahrscheinlich außerstande, die üblichen Sprachspiele zu spielen, die sich des Wor
110 tes »Berg« bedienen. Die Nützlichkeit dieser Sprachspiele steht aber in keinem

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