Gerechtigkeit fuer Igel
Zusammenhang mit der Frage, ob die ansichseiende Realität, losgelöst von der für die Menschen zweckmäßigen Beschreibungsweise dieser Realität, Berge enthält.
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Rorty denkt hier an zwei Sprachspiele, die jeweils eigene Regeln haben. Das erste ist das Sprachspiel der Geologie, an das wir uns meistens halten. Im Rahmen dieses Sprachspiels kann man sagen, daß es Berge gibt, daß sie außerdem bereits existiert haben, bevor es Menschen gab, und daß sie weiterexistieren werden, wenn es keine Menschen mehr gibt, ja sogar, daß sie existieren würden, wenn es nie Menschen gegeben hätte. Wenn Sie dem nicht zustimmen, verstehen Sie nicht, wie man das Sprachspiel der Geologie spielt. Wir können aber auch das archimedische Sprachspiel der Philosophie spielen, innerhalb dessen eine andere Frage gestellt werden kann: nicht ob es Berge gibt, sondern ob sie Teil der ansichseienden Realität sind. Rorty zufolge gibt es im Rahmen dieses zweiten Sprachspiels eine Debatte zwischen fehlgeleiteten Metaphysikern, denen zufolge Berge Teil des Ansichseienden sind, und Pragmatisten wie ihm, die dem widersprechen und Berge nur im normalen Sprachspiel der Geologie verorten wollen, in dem wir meistens aktiv sind.
Damit Rortys Strategie erfolgreich ist, muß es einen Unterschied geben zwischen dem, was Menschen meinen, wenn sie im Rahmen der Alltagssprache von der Existenz von Bergen reden, und dem, was sie meinen, wenn sie deren Existenz in philosophischem Ton leugnen. Es ist leicht einzusehen, daß wir ein besonderes Sprachspiel spielen, wenn wir über fiktionale Charaktere sprechen, weil wir alle diesbezüglichen Äußerungen in einen umfassenderen Diskurs übersetzen können, indem wir sie auf eine Weise umformulieren, die deutlich macht, was eigentlich gemeint ist. Ich könnte zum Beispiel sagen: »Wenn wir denken würden, daß Shakespeare tatsächliche historische Begebenheiten beschrieben hat, oder so tun, als ob er das getan hätte, würden wir wohl die Meinung vertreten (oder so tun), daß Lady Macbeth bereits mit einem anderen Mann Kinder
111 hatte, als sie Macbeth heiratete.« Daran anschließend könnte ich ohne auch nur den geringsten Anschein eines Widerspruchs erklären, daß Shakespeare all jene Begebenheiten und Dialoge natürlich erfunden hat.
Rortys Sprachspielanalogie funktioniert nur, wenn wir den scheinbaren Widerspruch im Fall der oben angeführten Äußerungen zu der Existenz von Bergen in derselben Weise zum Verschwinden bringen können, indem wir eine Lesart der beiden sich widersprechenden Aussagen vorschlagen, die den Konflikt auflöst. Das können wir aber nicht. Rortys Unterscheidung von Aussagen, die zum Sprachspiel der Geologie gehören, und solchen, die er dem Sprachspiel der realen Welt zuordnet, identifiziert keinen Unterschied in der Bedeutung dieser beiden Aussagen. Auch sein Versuch der typographischen Verdeutlichung des vermeintlichen Unterschieds kann darüber nicht hinwegtäuschen. Wenn jemand tatsächlich zu uns sagen würde »Berge sind Teil der ansichseienden Realität!«, dann würden wir denken, daß damit nichts anderes gemeint ist als »Berge existieren, und würden auch existieren, wenn es keine Menschen gäbe«, und damit ist der Unterschied verschwunden, auf den Rorty angewiesen ist. Wenn wir dieser Äußerung andererseits eine neue oder besondere Bedeutung zuschreiben – wenn wir zum Beispiel sagen, damit sei gemeint, daß Berge eine logisch notwendige Eigenschaft des Universums sind –, dann verliert seine Argumentation jede kritische Kraft und jeden philosophischen Biß, weil es vollkommen unplausibel ist, daß Berge logisch notwendig sind. Wir haben es also mit demselben Dilemma zu tun, das uns bereits im Zusammenhang mit der sprechakttheoretischen Version des Skeptizismus begegnet ist. Auch wenn der Sprachspielskeptiker die bereits erwähnte Unabhängigkeitsbedingung erfüllt, indem er zeigt, daß meine weitergehenden Ausführungen nicht nur Wiederholungen der anfänglichen Behauptung sind, scheitert er an der Relevanzbedingung, weil seine Position für die gewöhnliche Sichtweise nicht länger ein Problem darstellt.
112 Expressivisten und Quasirealisten
Rorty versucht, gewöhnliche Urteile von seines Erachtens fehlgeleiteten philosophischen Thesen wie etwa meinen weitergehenden Ausführungen abzugrenzen, indem er sie in unterschiedlichen Sprachspielen verortet. Man kann den Statusskeptizismus aber noch mit einer anderen Variante dieser Zwei-Sprachspiele-Strategie
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