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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Dworkin
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Eigenschaften hat. Sie als Laie sind ebenfalls davon überzeugt, weil Sie wissen, daß die Experten dieser Meinung sind, weil Ihnen das auf vielerlei Weisen mitgeteilt worden ist. Diese Kausalkette hat die erstaunliche Implikation, daß die beste Erklärung der meisten Ihrer tatsächlichen Meinungen zugleich eine hinreichende Rechtfertigung für sie darstellt. Erklärung und Rechtfertigung gehen hier Hand in Hand, und die beste Erklärung unserer Meinungen legitimiert diese auch.
    Kann man Erklärung und Rechtfertigung im Bereich der Moral ebenfalls auf diese Weise zusammenführen? Hat die Wahr
124 heit über gleichgeschlechtliche Ehen Ihre entsprechenden Ansichten irgendwie kausal verursacht? Da ich die Idee moralischer Kausalkräfte oben bereits mit der Bezeichnung »Moronen« ins Lächerliche gezogen habe, können Sie sich sicher denken, wie meine Antwort lautet. Vielleicht liege ich aber falsch. Viele bedeutende Philosophen sind der Meinung, daß moralische Tatsachen wahre moralische Ansichten verursachen können, auch wenn sie sich nicht einig darüber sind, wie und warum das geschieht. Aus diesem Grund sollten wir noch einmal genauer auf diese Sichtweise eingehen. Nehmen wir jedoch an, daß ich recht habe und daß es keinen kausalen Zusammenhang zwischen moralischer Wahrheit und moralischen Meinungen gibt. Wären Ihre Ansichten zum Thema gleichgeschlechtliche Ehe dann nicht vollkommen zufällig? Müßten Sie dann nicht zugeben, daß Sie keine Möglichkeit haben, mit der moralischen Wahrheit, falls es so etwas »da draußen« im Universum irgendwo geben sollte, »in Kontakt« zu sein?
    Es stehen also zwei Hypothesen zur Debatte. Die erste ist die der kausalen Einwirkung ( KE ), die besagt, daß moralische Tatsachen moralische Meinungen von Menschen verursachen können, die diesen Tatsachen entsprechen. Moralische Realisten stimmen diesem Gedanken zu, während externe Skeptiker ihn ablehnen. Meines Erachtens haben die externen Skeptiker hier recht und die Realisten sind im Irrtum. Die zweite Hypothese, der zufolge hier eine kausale Abhängigkeit ( KA ) vorliegt, besagt, daß wir, falls KE falsch sein sollte, niemals einen Grund haben, unsere moralischen Urteile für korrekte Beschreibungen einer moralischen Wahrheit zu halten. Vertreter eines externen Skeptizismus stimmen dieser zweiten Hypothese zu, und anscheinend halten auch viele Realisten sie für überzeugend, weil sie andernfalls kaum so viel Energie darauf verwenden würden, die KE -Hypothese zu verteidigen. Aus meiner Sicht liegen beide Parteien in dieser Frage falsch. Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Hypothesen: Während KE eine wissenschaftliche Tatsachenbehauptung beinhaltet, die
125 Fragen der Teilchenphysik, Biologie und Psychologie betrifft, handelt es sich bei KA um ein moralisches Urteil darüber, was als adäquater Grund für eine moralische Überzeugung gelten soll.
    Die KE -Hypothese
    Was steht auf dem Spiel?
    Quotenregelungen haben zur Folge, daß Angehörige ethnischer Minderheiten bei der Zulassung zur Universität oder bei der Einstellung bevorzugt behandelt werden. Nehmen wir an, daß Sie solche Programme für unfair halten.
 1 Warum sind Sie dieser Ansicht? Das ist eine zweideutige Frage. Zum einen könnte gemeint sein: Welche Gründe können Sie anführen, um Ihre Position zu verteidigen? So verstanden geht es um eine moralische Rechtfertigung. Man kann dieselbe Frage aber auch wie folgt verstehen: Wie läßt sich angesichts dessen, daß in Ihrer politischen Kultur so häufig eine andere Meinung vertreten wird, am besten kausal erklären, daß Sie persönlich dieser Ansicht sind? Lassen Sie uns zunächst auf diese zweite Frage eingehen. Wenn Sie ein Psychologe, Sozialwissenschaftler oder Biologe sind, könnten Sie in diesem Zusammenhang auf Ihr Fachwissen zurückgreifen und etwas darüber sagen, wie Ihr kulturelles Umfeld beschaffen ist, wie Sie selbst aufgewachsen sind, welche Vorteile eine bestimmte Haltung für Sie persönlich hat; oder Sie könnten auch ganz ambitioniert versuchen, Gene zu identifizieren, die eine entsprechende Disposition zur Folge haben. In einem solchen wissenschaftlichen Diskurs wird davon ausgegangen, daß eine Erklärung dieser Art die Frage, warum Sie die Ansichten haben, die Sie haben, restlos beantwortet.
    Vielleicht sind Sie versucht, eine alternative Antwort zu geben. Sie könnten zum Beispiel sagen: »Ich halte Quotenregelungen für unfair, weil ich im Gegensatz zu all jenen

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