Gerechtigkeit fuer Igel
der Erkenntnis einer moralischen Wahrheit verursacht wurde – zutrifft. Alternative wissenschaftliche Erklärungen kann man überprüfen, indem man fragt, ob Sie andere Überzeugungen hätten, wenn Ihre Lebensgeschichte signifikant anders verlaufen wäre, und es gibt durchaus Grund zu denken, daß die Antwort hier »ja« lautet. Eine entsprechende kontrafaktische Hypothese zur Stützung Ihrer »Erkenntniserklärung« steht nicht zur Verfügung, weil Sie weder nachweisen noch sich überhaupt vorstellen können, daß Sie angesichts einer anderen moralischen Wahrheit anderer Meinung wären. Wenn Sie behaupten, die moralische Wahrheit erkannt zu haben, bringen Sie damit nur Ihre Meinung auf besonders emphatische Weise zum Ausdruck, aber Sie erklären nicht, wie sie zustande kam.
KE ist ein Mythos und noch dazu ein sinnloser Mythos, denn selbst wenn wir annehmen würden, daß moralische Wahrheit tatsächlich eine geheimnisvolle kausale Wirkung entfaltet, würde uns das überhaupt nicht dabei helfen, unsere moralischen Meinungen zu rechtfertigen. Um sie auf nachvollziehbare Weise auf eine Wahrheit zurückzuführen, müßten wir zusätzlich und unabhängig davon bereits wissen, daß diese Meinungen wahr sind. Das ist besonders offensichtlich, wenn man versucht, die moralischen Ansichten anderer Menschen zu erklären. Nehmen wir an, Sie selbst halten Quotenregelungen für unfair, aber
131 Ihr Freund sieht das anders. Sie können unmöglich denken, daß seine Ansichten von deren Wahrheit verursacht wurden, und Sie müssen statt dessen zur Erklärung seiner Ansichten auf seine persönliche Lebensgeschichte verweisen. Nehmen wir an, Sie finden eine Erklärung, die Ihnen vollständig und überzeugend erscheint, zum Beispiel die Tatsache, daß er in einer reflexhaft liberalen Familie aufgewachsen ist. Plötzlich ändern Sie aber Ihre Meinung und halten seine Argumente für die Fairneß von Quotenregelungen nun für sehr überzeugend. Die Meinung Ihres Freundes erscheint Ihnen jetzt als richtig, aber Sie haben keine Entdeckung gemacht, die gegen Ihre erste Erklärung dieser Meinung spricht. Wenn es zuvor vollkommen ausreichend gewesen ist, in diesem Zusammenhang auf seine Lebensgeschichte zu verweisen, dann müßte das immer noch der Fall sein. Auch wenn Sie vielleicht gern behaupten würden, daß die Wahrheit vielleicht doch kausal am Zustandekommen seiner Meinung beteiligt war, zeigt sich hier, daß die KE -Hypothese im Zusammenhang mit solchen Erklärungen stets eine Art fünftes Rad am Wagen bleibt.
Meines Erachtens ist diese Überflüssigkeit der Hypothese letztlich ein schlagendes Argument gegen sie. Vielleicht gibt es bislang unentdeckte Rezeptoren im menschlichen Gehirn und gleichermaßen unentdeckte Kräfte in unserem Universum, und vielleicht wirken sich jene Kräfte kausal auf die Ausbildung moralischer Überzeugungen aus. Vielleicht muß dieser Prozeß teleologisch verstanden werden und es stellt sich heraus, daß sich das Universum auf ein im voraus festgelegtes Ziel hinentwickelt und daß die Existenz aller selbstbewußten Wesen und ihrer Meinungen zu diesem Plan gehört. Stellen Sie sich vor, es gelänge Wissenschaftlern, solche Einflüsse nachzuweisen und zu messen, so daß sie Einblick in den Ablauf der umfassenden Entwicklung des Universums gewinnen. Vielleicht würden sie feststellen, daß Menschen eine Handlung immer dann als moralisch falsch einstufen, wenn die Instrumente dieser Wissenschaftler in ihrer Nähe eine bestimmte Kraft mit einer bestimmten
132 Stärke verzeichnen. Diese Menschen könnten nicht erklären, warum die Handlung falsch ist, sondern nur sagen, daß sie es »sehen« oder eine entsprechende »Intuition« haben. Wir würden daher annehmen, daß eine seltsame Kraft moralische Meinungen entstehen läßt, und versuchen, diese Hypothese zu testen, indem wir Menschen Schutzkleidung gegen entsprechende Einflüsse tragen lassen. In der Folge würden wir beobachten, daß die so geschützten Menschen oft andere moralische Meinungen ausbilden und zum Ausdruck bringen als die ungeschützten, daß sie aber, sobald sie die Kleidung ablegen, ihre Meinung ändern und wieder zu den Ansichten der übrigen Bevölkerung zurückkehren. Daraus würden wir schließen, daß jene seltsame Kraft Menschen tatsächlich dazu bringt, moralische Überzeugungen auszubilden.
All das gäbe uns aber keinerlei Grund zu der Annahme, daß diese Kraft wahre moralische Meinungen entstehen läßt. Nichts spricht dafür, daß
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