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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Dworkin
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Menschen,
126 die anderer Meinung sind, sehe, erkenne oder intuitiv weiß, daß das die Wahrheit ist.« Einige Vertreter des philosophischen Realismus sind überzeugt, daß diese Antwort mit den eben erwähnten wissenschaftlichen Erklärungen konkurriert, daß sie plausibel ist und tatsächlich auch oft korrekt. Sie denken, daß manche Menschen auf eine bestimmte Weise für moralische Wahrheit empfänglich sind, die es ihnen zu erkennen erlaubt, was richtig oder falsch ist, was Lob verdient und was Kritik. Wenn eine Person die moralische Wahrheit erkannt hat, gehört dieser Sichtweise zufolge dieser Umstand zur korrekten Erklärung der Entstehung ihrer entsprechenden Überzeugungen.
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    Wenn wir akzeptieren, daß die KE -Hypothese plausibel und überzeugend ist, muß jede Form des globalen moralischen Skeptizismus falsch sein. Wie ich gerade erklärt habe, sind unsere Überzeugungen hinsichtlich der physikalischen Welt oft direkt oder indirekt auf ihre eigene Wahrheit zurückzuführen, und immer wenn das der Fall ist, bestätigt diese kausale Verknüpfung jene Wahrheit. Zur besten Erklärung dafür, warum ich glaube, daß es heute geregnet hat, gehört die Tatsache, daß das tatsächlich der Fall war. Wenn Vertreter des Realismus auf vergleichbare Weise erklären können, warum Sie glauben, daß Quotenregelungen unfair sind – wenn sie also zeigen können, daß Sie dieser Meinung sind, weil das tatsächlich der Fall ist  –, dann würde das Ihre Meinung zugleich rechtfertigen und erklären. Daraus würde zudem folgen, daß das Hume'sche Prinzip letztendlich doch falsch ist. Ob etwas einen bestimmten Zustand Ihres Gehirns verursacht hat, ist eine biologische Tatsachenfrage, und wenn aus irgendeinem biologischen Sachverhalt geschlossen werden kann, daß Quotenregelungen verwerflich sind, muß das Hume'sche Prinzip aufgegeben werden.
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    Als Verteidigungsstrategie gegen den Skeptizismus ist die KE -Hypothese aber ausgesprochen riskant, weil sie leicht zu dem Gedanken führen kann, daß wir keinen Grund mehr hätten zu glauben, daß es moralische Tatsachen gibt, falls diese keine entsprechenden Überzeugungen bewirken können, und
127 dann hätten wir dem Skeptizismus nichts mehr entgegenzusetzen. Stellen Sie sich vor, Sie seien der Meinung, daß es heute in Frankreich geregnet hat, ohne daß das tatsächliche Wetter in Frankreich kausal an diesem Gedanken beteiligt war, weil er Ihnen zum Beispiel unter Hypnose von jemandem eingegeben wurde, der keinerlei entsprechende Informationen hatte. Das würde bedeuten, daß wir keinen Grund zu der Annahme haben, daß es heute in Frankreich geregnet hat. Vertreter des externen Skeptizismus sind der Meinung, daß die KE -Hypothese falsch ist und daß moralische Tatsachen, selbst wenn es sie gäbe, niemals zur Erklärung unserer moralischen Überzeugungen beitragen können. Dieser Sichtweise zufolge haben wir also ebensowenig Grund, jene Überzeugungen für wahr zu halten, wie in dem von mir beschriebenen Fall an Regen in Frankreich zu glauben. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, müssen sie die KE -Hypothese ablehnen, KA aber akzeptieren.
    Ein Mythos
    Oft ist uns im selben Moment, in dem wir eine Handlung sehen, klar, daß sie verwerflich ist. Wenn ich beobachte, daß jemand ein Kind schlägt, »sehe« ich die Verwerflichkeit dieser Handlung sofort. Das bedeutet aber nicht, daß moralische Tatsachen hier eine moralische Überzeugung verursachen, weil ich das nicht »gesehen« hätte, wenn ich nicht bereits davon überzeugt gewesen wäre, daß es falsch ist, unnötig Schmerzen zu verursachen. Bei der KE -Hypothese geht es darum, jene zugrundeliegende Überzeugung zu erklären.
 4 Wir dürfen KE nicht mit der Berufung auf eine göttliche Eingebung verwechseln. Während viele Menschen glauben, daß ein übernatürliches Wesen sie an seinem unfehlbaren moralischen Wissen teilhaben läßt, wird von der KE -Hypothese ein direkterer kausaler Einfluß der moralischen Wahrheit auf unseren Geist vorausgesetzt. In der von mir hier präsentierten starken Version ist diese Hy
128 pothese heute in der akademischen Philosophie nicht mehr so beliebt wie früher,
 5 aber unter Nichtphilosophen ist sie nach wie vor recht verbreitet, da viele Menschen die wohlvertraute Rede von moralischer »Einsicht« oder »Erkenntnis« allzu wörtlich nehmen. Zudem können einige der bedeutendsten Philosophen sich nicht dazu durchringen, diesen Gedanken vollkommen aufzugeben. Sie wollen zumindest einen

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