Gerechtigkeit fuer Igel
unabhängig davon, wie sie vor dem Scan zu dieser Frage standen. Dieser Umstand ist gründlich
137 und schlüssig belegt, es kann sich unmöglich um einen Zufall handeln. Kurz bevor Sie Ihre Meinung geändert haben, wurde bei Ihnen tatsächlich ein solcher Scan durchgeführt, und nun sind Sie überzeugt, daß Sie bei Ihren Ansichten geblieben wären, wenn das nicht geschehen wäre.
In einer solchen Situation würden Sie natürlich die Argumente, die Sie bewogen haben, Ihre Meinung zu ändern, ein weiteres Mal durchgehen, und noch einmal sehr viel gründlicher über das ganze Thema nachdenken. Sie würden Ihre Überlegungen ein weiteres Mal überprüfen, wie ein verantwortungsbewußter Richter ein Rechtsprinzip genau hinterfragen würde, das er mit einer wichtigen Urteilsverkündung etablieren will. Sie erwägen, in welchem Verhältnis Ihre neue Ansicht zu Ihren allgemeineren Einstellungen zur Fairneß verschiedenster Formen der Benachteiligung oder Bevorzugung steht und ziehen dabei alle möglichen Aspekte in Betracht; etwa, was Sie von der Privilegierung von Sportlern, Menschen mit interessanten Hobbys und Kindern ehemaliger Studenten bei der Studienplatzvergabe halten und wie Sie Quotenregelungen in anderen Bereichen beurteilen, etwa bei der Entscheidung, von welchem Gehirnchirurgen Sie behandelt werden wollen. Sie gleichen Ihre Meinung sozusagen nach oben ins Allgemeinere und seitwärts mit parallelen Ansichten ab oder fragen sich, was überhaupt grundsätzlich gegen Diskriminierung auf der Basis ethnischer Zugehörigkeit einzuwenden ist und ob die beste Antwort auf diese Frage auch Quotenregelungen betrifft. Sie gehen davon aus, bei einer solchen komplexeren Hinterfragung Ihrer Position auf Konflikte zu stoßen, da Sie vermuten, daß sich der Scan nur sehr konkret auf Ihre Ansicht über Quotenregelungen bei der Studienzulassung ausgewirkt hat und so zu einem Zustand geistiger Dissonanz geführt haben müßte. Gegen alle Erwartung stellen Sie aber fest, daß Ihre neue Sichtweise der Überprüfung bestens standhält und Ihre vormalige Sichtweise tatsächlich im Widerspruch zu Ihren übrigen oder abstrakteren Überzeugungen stand. Sie kommen zu dem Schluß,
138 daß der Scan folgenreicher war, als Sie zunächst gedacht hatten, da er breitflächige Verschiebungen in all Ihren moralischen Ansichten bewirkt hat, so daß diese nun vollkommen mit Ihrer neuen Meinung zur Quotenregelung harmonisiert sind. Allen Hinterfragungen zum Trotz erscheint Ihnen Ihre neue Position als richtig.
Was nun? Wie würden Sie auf diese Informationen reagieren, wenn Sie über Ihr erstes Erstaunen hinweg sind? Man sollte doch denken, daß diese Erkenntnisse einen gewissen Unterschied dafür machen, welcher Meinung Sie nun sind und inwieweit Sie dieser Meinung vertrauen. Tatsächlich ändert diese Einsicht aber nichts, obwohl sie fatale Folgen haben müßte, wenn die KA -Hypothese richtig wäre. Sie hätten zum einen keinen Grund zu bereuen, den Scan gemacht zu haben, oder zumindest nicht diesen, weil Sie keinen Grund haben zu glauben, daß Sie davor recht hatten. Selbst wenn Sie KE akzeptieren und denken, daß moralische Überzeugungen von moralischer Wahrheit verursacht werden können, ist damit keineswegs gesagt, daß das bei Ihren vorherigen Annahmen der Fall war. Nur die unabhängige Überzeugung, daß eine Ansicht richtig ist, kann als Grund dienen zu glauben, daß sie von ihrer eigenen Wahrheit verursacht wurde, und Sie sind ja inzwischen der Meinung, daß Ihre gegenwärtigen Ansichten und nicht die vorherigen korrekt sind. Wenn Sie gewußt hätten, was passieren wird, hätten Sie vor dem Scan einen sehr starken Grund gehabt, ihn nicht machen zu lassen; nun haben Sie aber denselben Grund, das, was geschehen ist, nicht zu bedauern und sich sogar glücklich zu schätzen, daß jener Scan durchgeführt wurde.
Spricht weniger dafür, Ihre neuen Ansichten für richtig zu halten als zuvor für Ihre alten? Im Gegenteil! Sie scheinen nun sogar mehr Gründe zu haben als zuvor, weil Sie nun der Auffassung sind, daß Ihre vorherigen Gründe ungeeignet waren. Sollten Sie nun Ihre Fähigkeit, überhaupt verantwortungsbewußte Urteile zu fällen, in Frage stellen? Nein, denn Sie können die Hypothese, daß der Gehirnscan Ihre Fähigkeit des mo
139 ralischen Urteilens verbessert hat, nicht einfach von der Hand weisen. Es spricht sogar einiges dafür, daß das der Fall war: Sie lagen vor dem Scan hinsichtlich vieler moralischer Fragen falsch und Ihre
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