Gerechtigkeit fuer Igel
Teilchen akzeptieren, könnte man die Existenz von Moronen nicht konsistent verneinen und müßte somit auch die KE -Hypothese akzeptieren.
In der Philosophie stößt diese Argumentation auf großes Mißtrauen, weil der Eindruck entsteht, man tue damit die Ansichten außerordentlich bedeutender Philosophen allzuleicht ab. Meines Erachtens stellt dieses Paradox aber nicht nur ein
135 schlagendes Argument gegen die KA -Hypothese dar, sondern lehrt uns zudem etwas Wichtiges über die Moral, weil deutlich wird, warum die KA -Hypothese für Moralphilosophen auf beiden Seiten der Skeptizismusdebatte so attraktiv ist: Wir haben es mit einer Art Angst zu tun, von der wir erfaßt werden, wenn wir über substantielle moralische Fragen, nicht aber, wenn wir über philosophische Probleme nachdenken.
Es gibt eine alternative, etwas längere Version derselben Argumentation, die ebenfalls sehr erhellend ist: Obwohl die KA -Hypothese eine wichtige Rolle in beliebten skeptischen Argumenten spielt, handelt es sich im Grunde nicht um eine These über die Wahrheit moralischer Urteile. Sie betrifft vielmehr direkt die Gründe, die wir dafür haben oder auch nicht haben, ein bestimmtes Urteil für wahr zu halten. Wir betrachten ganz unterschiedliche Arten von Gründen als angemessen für bestimmte von uns gefällte Urteile, und was als guter Grund zählt, hängt vom Inhalt des betreffenden Urteils ab. Jede Theorie darüber, welche Belege es für ein wissenschaftliches Urteil geben kann – etwa dafür, daß es heute vormittag in Frankreich geregnet hat –, ist selbst eine wissenschaftliche Theorie. Ebenso muß jede Theorie darüber, was für Gründe ein moralisches Urteil auf angemessene Weise rechtfertigen, selbst eine moralische Theorie sein. Wenn man die KA -Hypothese auf den Bereich der Moral anwendet, handelt es sich bei ihr um eine moralische Aussage. Sie muß argumentativ verteidigt werden, und dem Hume'schen Prinzip zufolge sind dazu zumindest auch moralische Gründe nötig. Man kann sich diese Art von Gründen leicht vorstellen. Vielleicht denken Sie, daß es falsch ist, aufgrund moralischer Urteile zu handeln, die nicht auf eine Erkenntnis der Wahrheit zurückzuführen sind, sondern in erster Linie auf Ihre persönliche Lebensgeschichte. Sie werden aber schnell feststellen, daß auch diese neue Überlegung sich selbst widerlegt, da Sie nicht aufgrund einer Begegnung mit der Wahrheit zu diesem Schluß gekommen sind. Die KA -Hypothese entkräftet damit auf neue Weise und ein weiteres Mal jeden Grund, sie zu akzeptieren.
136 Peinliche Erklärungen?
Wenn aber unsere persönliche Lebensgeschichte am besten erklärt, warum wir die Meinungen haben, die wir haben, und die Wahrheit dieser Meinungen nichts dazu beiträgt, sie zu erklären, wie können wir ihnen dann vertrauen? Unter Umständen gibt es bestimmte Elemente unserer Biographie, die ein solches Vertrauen erschweren. Nehmen wir an, ich finde heraus, daß Sie sich gestern zwischen der Vorlesung eines ungewöhnlich charismatischen Gegners von Quotenregelungen und der Fernsehübertragung eines Fußballspiels entscheiden mußten. Sie haben eine Münze geworfen und weil Zahl oben lag, besuchten Sie die Vorlesung und haben sich überzeugen lassen. Nun halten Sie Quotenregelungen für unfair. Der Münzwurf ist eine unabdingbare Komponente jeder vollständigen Erklärung Ihrer Ansichten, und das kommt Ihnen vielleicht zunächst etwas beschämend vor. Wenn jemand aber Ihre aktuelle Position angreifen würde, können Sie Argumente anführen, die Ihnen im Rahmen der Vorlesung nahegebracht wurden. Ob Ihre neue Sichtweise gut begründet ist, hängt nur davon ab, ob es sich dabei um stichhaltige moralische Argumente handelt; daß sie zu diesen via Münzwurf gelangt sind, ist hierfür irrelevant.
In diesem Beispiel wurden Sie letztlich durch Argumente überzeugt. Macht das einen Unterschied? Sehen wir uns eine etwas ungewöhnlichere Situation an. Bis vor einem Jahr waren Sie überzeugt, daß Quotenregelungen ausgesprochen unfair sind. Als Sie dann aber Anlaß hatten, noch einmal über dieses Thema nachzudenken, schienen Ihnen auf einmal zwingende Argumente dafür zu sprechen, daß Sie bisher falschlagen. An einem Dienstagmorgen erfahren Sie im Wissenschaftsteil Ihrer Zeitung von einer verblüffenden Entdeckung. Alle Menschen, bei denen ein skalotopischer Gehirnscan (fragen Sie mich nicht, was das bedeutet!) durchgeführt wurde, halten in der Folge Quotenregelungen für fair,
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