Gerechtigkeit fuer Igel
sie irgendwie gleichbedeutend mit der moralischen Wahrheit ist oder ihre Existenz belegt. Demnach haben wir noch immer keine Argumente für die KE -Hypothese gefunden. Wie könnte gezeigt werden, daß die von jener Kraft verursachten Überzeugungen wahr sind? Die einzige Möglichkeit scheint darin zu liegen, über die moralischen Fragen selbst nachzudenken und diese Überzeugungen als wahr zu erweisen, während wir die Schutzkleidung tragen und jenen Einflüssen nicht ausgesetzt sind.
7 Damit stehen wir aber wieder am Anfang. Dieser wissenschaftliche Versuch, die KE -Hypothese zu belegen, würde sie also letztendlich aushebeln. Wir können nicht davon ausgehen, daß jene Kraft unsere eigene Einschätzung der Wahrheit von Meinungen anderer verursacht hat, denn das würde bedeuten, das erst noch zu Beweisende vorauszusetzen. Wir müßten annehmen, daß wir irgendwie unabhängig von der KE -These mit der moralischen Wahrheit »in Kontakt sein« könnten, um zu wissen, welche jener von der geheimnisvollen Kraft verursachten Meinungen wahr sind. Die KE -Hypothese stellt sich also als nutzlos heraus, und ich hoffe deutlich ge
133 macht zu haben, daß man sie ablehnen kann, ohne der Idee unbekannter Kräfte oder teleologischer Prozesse allzu feindselig gegenüberzustehen. Ihre Vertreter irren sich nicht hinsichtlich dessen, was existiert, sondern im Hinblick darauf, was als Argument für die Wahrheit einer moralischen Überzeugung in Frage kommt; die Antwort muß lauten, daß wir immer ein moralisches Argument brauchen. Die KE -Hypothese ist falsch, weil sie gegen das Hume'sche Prinzip verstößt.
In der jüngsten Zeit haben manche Moralphilosophen damit begonnen, im Zusammenhang mit moralischen Fragen auf ihre »Intuitionen« zu verweisen. Diese Redeweise kann auf zwei Weisen verstanden werden. Entweder gehen sie davon aus, die Wahrheit des intuitiv Gewußten irgendwie in mehr oder weniger starkem Maße eingesehen haben. In diesem Fall würden sie ihre Intuition als Argument für die Wahrheit dessen anbieten, was ihnen intuitiv richtig erscheint, vergleichbar einem Augenzeugen, der den Beschuldigten am Tatort gesehen zu haben meint. Wir haben es also mit einer Version der KE -Hypothese zu tun. Alternativ könnten diese Philosophen auch einfach versuchen, ihre Überzeugungen mitzuteilen, aber das würde argumentativ natürlich nichts beitragen. In diesem Buch gehe ich an verschiedenen Stellen auf meine persönliche Meinung in bestimmten ethischen und moralischen Fragen ein und versuche, Sie von meiner Sichtweise zu überzeugen oder Ihre Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was Sie hoffentlich auch glauben. Wie wir im sechsten Kapitel sehen werden, sind die konkreten Meinungen einer Person für ihre ethische und moralische Verantwortung konstitutiv und deshalb von einiger Bedeutung. Sie können aber nicht als unabhängiges Argument für die Korrektheit meiner oder Ihrer Ansichten angeführt werden.
134 Die kausale Abhängigkeitshypothese
Zu schnell?
Hinter der Attraktivität der KE -Hypothese steht die Furcht vor dem externen Skeptizismus und diese geht wiederum auf die Hypothese kausaler Abhängigkeit ( KA ) zurück, der zufolge wir moralische Meinungen nicht auf verläßliche oder verantwortliche Weise begründen können, wenn sie nicht durch moralische Wahrheiten verursacht werden.
8 Das ist leicht zu entkräften, denn diese Hypothese untergräbt sich letztlich selbst. Meines Erachtens ist es nicht möglich, sie ausschließlich im Bereich der Moral zu vertreten; wenn überhaupt, kann es sich nur um eine Aussage über Wissen im allgemeinen handeln. Wir müßten also behaupten, daß man nur dann zu zuverlässigen Meinungen kommen kann (außer vielleicht über rein logische Wahrheiten), wenn unsere Meinungen durch das, wovon sie handeln, verursacht worden sind. Weil wir aber, wenn das stimmt, keinen Grund hätten, die KA -Hypothese tatsächlich für wahr zu halten, muß sie als paradox aufgegeben werden. Sie ist nicht per definitionem wahr, da sie nicht aus der Bedeutung der verwendeten Begriffe abgeleitet werden kann, und selbst wenn wir moralische Verursachung für denkbar halten würden, gilt das doch sicher nicht für philosophische Verursachung. Obwohl viele Philosophen KA für wahr halten, denkt kaum jemand, daß diese Ansicht kausal auf die Wahrheit von KA zurückzuführen ist oder daß es sozusagen Philonen gibt, die kausal auf das menschliche Gehirn einwirken können. Würde man solche philosophischen
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