Gerettet von deiner Liebe
die Hände hinter dem Kopf. Seine Mutter hatte ihn Jemmy genannt, da er aber schon als Junge zur Seefahrt kam, wurde bald Trevenen aus ihm.
Lady Audley hatte ihn auf der Schiffsreise gelegentlich James genannt. Seine Ernüchterung hatte begonnen, als sie in der Hitze der Leidenschaft ein paarmal Edward gestöhnt hatte und dann Clarence. Es hatte sogar einen Leonardo gegeben, als er eine bestimmte Stellung mit ihr ausprobierte, die ihm eine Hure in Lissabon beigebracht hatte. Offenbar kannte Lady Audley diese Stellung bereits von einem gewissen Leonardo. Aber zu diesem Zeitpunkt überraschte ihn eigentlich nichts mehr an ihr.
Als er sie nach Edward, Clarence und Leonardo befragte, hatte sie nur gelacht. Jedenfalls hatte seine Leidenschaft sich merklich abgekühlt, und er hatte sich gefragt, ob er sich bei Lady Audley mit einer peinlichen Krankheit angesteckt hatte, da die Dame offenbar einen ziemlichen Männerverschleiß und zudem ein schlechtes Gedächtnis hatte.
Während die schlaflose Nacht sich in die Länge zog, dachte er darüber nach, wonach er sich mehr sehnte: nach dem Liebesakt oder nur nach der zärtlichen Berührung einer Frau. Als das Tageslicht schließlich durch die Vorhänge sickerte, überlegte er, ob er gleich nach Spring Grove gehen oder auf Noah und Susannah warten sollte. Na bitte! In seinen Gedanken und seinem Herzen nannte er sie bereits Susannah und wollte auf die Erlaubnis warten, falls sie je käme, ihren Namen laut auszusprechen.
Vermutlich hatte sie ihn versehentlich James genannt. Sosehr er sich wünschte, es sei mit Absicht geschehen, sollte er sich diesen Gedanken lieber aus dem Kopf schlagen.
Bevor er nach unten ging, schob er einen Zettel unter Susannahs Tür, auf dem er sie wissen ließ, wo er war, und ihr versicherte, dass er vor dem Ausflug nach Rotten Row am Nachmittag zurück sei. Er dachte mit einigem Grausen an diesen Ausflug, bei dem er vermutlich wieder Beau Crusoe wäre und nicht James Trevenen. Doch bald wäre auch dieser Spuk vorbei.
Die Dienerschaft in Spring Grove war bereits auf. Der Butler bot ihm ein Frühstück an, das er dankend ablehnte und den Wunsch äußerte, gleich nach dem Kranken sehen zu dürfen.
Behutsam klopfte er an. Miss Alderson öffnete umgehend die Tür mit dem Blick eines grimmigen Zerberus. Sam ist in besseren Händen, als ich zu hoffen gewagt hatte, dachte James, wich zurück und hob ergeben die Hände.
Loisa öffnete die Tür, um ihn eintreten zu lassen, legte aber sicherheitshalber den Finger an den Mund.
James warf einen Blick auf den abgezehrten Kranken im Bett. „Wie geht es ihm?“, flüsterte er, nahm sie bei der Hand und zog Loisa in den Flur. Mit einem besorgten Blick über die Schulter zum Bett ließ sie es geschehen und schloss die Tür leise.
„Jetzt ist er ruhig“, antwortete sie. „Aber es war eine schwierige Nacht.“
James bemerkte die dunklen Schatten unter ihren Augen.„Vielen Dank. Tut mir leid, dass ich Ihnen das aufgehalst habe.“
„Mir tut es nicht leid“, entgegnete sie. „Es ist seltsam. Er starrt mich an und weiß nicht, wer ich bin. Ich sage es ihm, aber er scheint nichts zu begreifen.“
„Lassen Sie mich eine Weile an seinem Bett sitzen, und Sie ruhen sich ein paar Stunden aus.“
„Ich sehe sicher aus wie eine Vogelscheuche“, sagte sie und strich sich übers Haar.
„Keineswegs, Miss Alderson“, widersprach er und meinte es ernst. Man wird sie nie für eine Schönheit halten, auch nicht in stockfinsterer Nacht, aber sie wirkt nun reizvoller, als ich sie kennengelernt habe, dachte er. Vielleicht ist echtes Mitgefühl ein wirksameres Schönheitsmittel als Glyzerin und Rosenwasser.
„Ja, ich bin müde“, gestand sie. „Ich wollte nicht einschlafen aus Angst, er stirbt, wenn ich nicht aufpasse. Lächerlich, nicht wahr?“
„Nein. Ich weiß Ihre Fürsorge zu schätzen.“
„Wer ist der Mann?“
James zuckte mit den Achseln. „Ich kenne ihn kaum besser als Sie. Er war einer der Mönche der Missionsgesellschaft, die den Auftrag hatten, die Ureinwohner von Tonga zum christlichen Glauben zu bekehren. Daraus wurde nichts, er erkrankte an Malaria, und mir fiel die Aufgabe zu, ihn auf der Reise nach London zu pflegen. Er ist ein Bauernsohn aus Norfolk.“
„Und die anderen Missionare?“
„Die kenne ich nicht. Man kann nur hoffen, dass sie nicht wieder versuchen, nach Tonga zurückzukehren.“ Außerdem hoffte er, Miss Alderson würde keine weiteren Fragen stellen, doch diese Hoffnung wurde
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