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Gerissen: Thriller (German Edition)

Gerissen: Thriller (German Edition)

Titel: Gerissen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Abrahams
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lassen – unförmig wegen der von einer Plane bedeckten Leiter auf dem Dach. Und daneben ein zweiter, größerer Schatten. Sie schaltete die Taschenlampe ein und erkannte den alten Pick-up, den Jean Savard immer neben Hütte eins abstellte.
    »Fahrzeugwechsel«, meinte Harrow.
    »Suchen sie schon nach uns?«, fragte Ivy.
    »Vermutlich nicht«, erwiderte Harrow. »Schichtwechsel ist nicht vor acht. Und selbst dann suchen sie erst mal nur nach mir. Aber warum ein Risiko eingehen?«
    »Stimmt«, sagte sie. Die Frage schien nicht im mindesten lächerlich. »Glaubst du, dass Betty Ann irgendwo in der Nähe ist?«
    Er nickte und kletterte auf den Fahrersitz. Ivy lief um den Wagen herum und erklomm den Sitz. Eine dieser Bänke; sie rutschte zu ihm hinüber.
    »Das würde bedeuten, dass bald alles vorbei ist«, sagte sie.
    Wieder nickte er, drehte den Schlüssel. Der Pick-up sprang mit einem lauten Explosionsgeräusch an.
    »Hat der Schlüssel gesteckt?«, fragte Ivy.
    »Ich habe ihn in Hütte eins gefunden, als ich mir die Klamotten besorgt habe«, sagte Harrow. Er warf ihr einen Blick zu, vielleicht merkte er, wie sie sein Profil musterte. »Die Tür war nicht abgeschlossen«, fügte er hinzu.
    »Wirklich?« Aber dann erinnerte sich Ivy an Jean und ihre Ginflasche: Es mochte stimmen.
    Sie fuhren den Feldweg hinunter in den Wald. Einer der Scheinwerfer war ausgefallen, der andere nicht richtig ausgerichtet, aber Harrow war völlig entspannt, seine Hände ruhten leicht auf dem Lenkrad.
    »Muss ein gutes Gefühl sein«, meinte Ivy.
    »Alles«, sagte er. »Alles ist ein gutes Gefühl.«
    Der Strahl des einsamen Scheinwerfers glitt über den flachen, kahlen Felsen an der Mündung der Fahrspur. Harrow bremste ab, als wollte er abbiegen, hielt dann aber an. Er stieg aus, griff in seine Tasche, lief hinüber zum Felsen, jetzt außerhalb des Lichtkegels. Er bückte sich, verharrte einen Moment, kehrte zurück.
    »Was?«, fragte sie.
    »Nichts.« Er bog in die Fahrspur ein. Ivy drehte sich um, leuchtete mit der Taschenlampe durch das schmale Heckfenster des Pick-up. Gerade noch rechtzeitig, um einen kurzen Blick auf den Felsen zu werfen. Nicht länger leer. Stattdessen sah sie ein Kreideherz und darin die Worte Du und Ich. Keine Namen. Nur Du und Ich. Ivy legte ihren Arm um seine Schultern, eine Haltung, die sie zu lieben begann.

    Er fuhr über die Lichtung auf der Kuppe, den Hang hinunter zu der schmalen Teerstraße. Nicht lange danach befanden sie sich auf der Straße nach Raquette. Unterwegs kamen ihnen ein oder zwei Autos entgegen, einfach gewöhnliche Autos ohne Blaulicht auf dem Dach. Ivy fiel auf, dass sich die Zeiger der Uhr nicht bewegten.
    »Wie spät ist es?«, fragte sie.
    »Wir kommen früh genug.«
    »Aber wie spät ist es?«
    Seine Handgelenke waren nackt. Häftlinge trugen keine Uhren, und Ivy benutzte keine mehr, sie verließ sich auf ihr Handy. Sie klopfte auf ihre Tasche: nichts, vermutlich im Saab.
    »Entspann dich«, sagte er.
    Sie entspannte sich.
    »Ich habe die Sandwiches mitgenommen«, sagte er und wies mit dem Kopf auf das lange Gepäckfach hinter den Sitzen.
    Ivy griff nach hinten und fand die Sandwichtüte, die auf einer zusammengerollten Decke lag, in der sie etwas Hartes fühlte, Werkzeug vielleicht.
    »Roastbeef oder Huhn?«, fragte sie.
    »Roastbeef?«, wiederholte er. »Du hast wirklich Roastbeef?«
    Sie aßen die Sandwiches. Ivy sah, wie er sich bemühte, langsam zu essen, nicht zu schlingen, aber er konnte sich nicht beherrschen. Hinterher teilten sie eine Cola.
    »Verdammt«, sagte er. Er drehte sich zu ihr um und grinste.
    Ein oder zwei Meilen zogen vorüber. War es Einbildung, oder wurde der östliche Himmel ein wenig heller, als würde Magermilch hineintropfen?
    »Erzähl mir von den Lusks«, bat sie.
    Seine Hände krampften sich um das Lenkrad.
    »Tut mir leid«, entschuldigte sich Ivy. »Aber sie klingen schrecklich. Es muss einfach furchtbar gewesen sein.«
    »Ich schätze, die Tür habe ich selber aufgemacht«, sagte er.
    »Wieso?«
    »Indem ich dir die Eissturm-Story gegeben habe.«
    »Was meinst du damit?«, fragte Ivy.
    »Nur gute Sachen«, sagte er. Er tätschelte ihr Knie. Das Gefühl zischte durch ihren Körper, als ob jede Zelle etwas davon haben wollte. »Was möchtest du wissen?«
    Alles aus deinem Leben, von dem Tag deiner Geburt bis zu dem Tag, an dem wir sterben, einschließlich der Anzahl der Kinder, die wir haben werden und ihrer Namen, lautete die Antwort, so total

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