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Gerissen: Thriller (German Edition)

Gerissen: Thriller (German Edition)

Titel: Gerissen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Abrahams
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hatte den ganzen Weg über geschwiegen, seine Augen zwinkerten kaum, seine Wimpern – lang und schön geschwungen, silbrig an den Spitzen. Sie konnte spüren, wie er alles in sich aufnahm. Sie dachte daran, zu sagen: Dank dir haben sie meine Story gekauft, beschloss aber, dass das warten konnte. Die Fahrspur runter zum Feldweg. Der flache, kahle Felsen glitt vorüber.
    »Ich will immer noch darüber schreiben«, sagte Ivy.
    »Was denn?«
    »Ich weiß nicht.«
    Sie fuhr weiter. Harrow kurbelte sein Fenster herunter.
    »Ich rieche Wasser«, bemerkte er.
    Ein oder zwei Minuten später fuhr Ivy an den Lake-Wilderness-Hütten vor. Die Hütten waren dunkel, der See hinter ihnen noch dunkler, doch mit einem leichten Schimmer wie polierte Kohle. Die Scheinwerfer erfassten die Tür von Hütte eins. Auf einem Schild stand: DEN WINTER ÜBER GESCHLOSSEN. WIR SEHEN UNS IM FRÜHLING.
    Ivy fuhr ein wenig weiter, hielt vor der letzten Hütte, Nummer vier.
    Sie nahm die Taschenlampe aus dem Handschuhfach; und den Schlüssel.
    »Wieso hast du den Schlüssel?«, fragte Harrow.
    Sie hatte vergessen, ihn zurück unter die Matte zu legen; ein einfaches Versehen, wie sie damals geglaubt hatte. »Ein Zufall«, versicherte ihm Ivy, aber vielleicht gab es, wie manche Menschen behaupteten, keine Zufälle.
    Sie stiegen aus, gingen zu der Hütte. Keine Sterne, kein Wind, keine Geräusche, abgesehen von ihren Schritten. Ivy schaltete die Lampe ein. Harrow trat in den Lichtkegel, und sie sah den Schweißfilm auf seiner Stirn.
    »Geht es dir gut?«, fragte sie.
    »Ja.« Er schirmte sein Gesicht ab. Sie richtete die Lampe woanders hin, doch nicht, ehe ihr auffiel, dass es nicht nur das Hemd war; die Hose, die sie ihm gekauft hatte, vermutlich sogar die Turnschuhe – zu groß.
    Sie schloss die Tür auf. Sie traten ein. Ivy ließ den Strahl durch den Raum wandern: Kieferndielen, Messingbett, nach wie vor mit diesen sauberen weißen Kissenbezügen und dem rosaroten Federbett, Holztisch und Stuhl am Fenster und der Steinkamin mit den aufgeschichteten Scheiten.
    »Ich zünde das Feuer an«, sagte Ivy.
    »Das würde ich gern tun«, erwiderte Harrow.
    Er ging zum Kamin, öffnete die Klappe, riss ein Streichholz an. Die winzige Flamme glühte in seinen Augen. Ein Feuer entfachen und alles, was das bedeutete: Wie lange hatte er das nicht mehr getan, war er nicht mehr frei gewesen, um ein Feuer anzuzünden? Ivy zog sich aus und legte sich ins Bett. Ein oder zwei Minuten später knisterte das Feuer, und er lag neben ihr, das rotgoldene Licht der Flammen erleuchtete flackernd den Raum.
    »Hunger?«, fragte sie. »Ich habe Sandwiches im Auto.«
    »Später«, sagte Harrow.
    Er rollte sich auf sie, drang in sie ein, ohne Vorspiel oder Küsse, ohne ein Wort, Unterlassungen, die für jemanden wie sie so offensichtlich inakzeptabel waren, dass kein Mann etwas Ähnliches jemals auch nur versucht hatte.
    Aber es war perfekt.

    Und das war nur der Anfang. Wie lange noch, bis sie Betty Ann gefunden hatten, diese ihre Story den Behörden erzählte und der schwere Teil vorbei war? Vierundzwanzig Stunden? Weniger? Marokko konnte Wirklichkeit werden, doch eine Woche oder so hierzubleiben schien ebenfalls nicht schlecht.
    »Vielleicht sollte ich mich entschuldigen«, sagte Ivy.
    »Wofür?« Er sah sie an, das Kaminfeuer flackerte in seinen Augen. »Ich könnte wetten, du hast an Marokko gedacht«, sagte er.
    »Um wie viel?«
    »Alles.«
    »Du würdest gewinnen«, gestand Ivy. »Aber eigentlich habe ich auch an Betty Ann gedacht. Die Entschuldigung ist wegen ihr.«
    »Oh?«, sagte er.
    »Es ist eine schreckliche Art, es zu erfahren«, meinte Ivy. »Ich, die es dir erzählt.«
    »Was zu erfahren?«, fragte Harrow.
    »Dass sie eine Affäre mit Frank hatte«, erwiderte Ivy. »Aber ich musste erreichen, dass du aufhörst, sie zu schützen.«
    Schweigen. Litt er emotionale Schmerzen, war verwirrt wegen Betty Ann? Ivy war überzeugt davon.
    »Wer war deine Quelle?«, fragte er.
    »Claudette.«
    Sie lagen nebeneinander, ohne zu reden, ihre Seiten berührten sich leicht. Zitterte er? Vielleicht ein ganz klein wenig. Das Feuer zischte, wenn die Flammen die Feuchtigkeit unter der Rinde fanden.
    »Du bist wütend«, sagte Ivy.
    »Wer könnte auf dich wütend sein?« Er nahm ihre Hand. »Du bist meine Erretterin«, sagte er.
    »Sei nicht albern«, sagte Ivy. Ganz plötzlich war sie sehr müde, die Erschöpfung umschloss ihren Verstand wie eine riesige Wolke. Sie versuchte dagegen

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