Gerissen: Thriller (German Edition)
über das Buch, das auf dem Fall des Gold Dust basierte. Sie hatte erst eine Minute oder so geredet, als Claudette wie ein Verkehrspolizist die Hand hob und sagte: »Ja, ja, ich erinnere mich langsam. Die Sache ist, ich habe furchtbare Kopfschmerzen. Vielleicht ein –«
»Aspirin?«
»Allergisch«, sagte Claudette. »Ich bin gegen sämtliche Schmerzmittel allergisch.« Ihr Blick wanderte erneut wie von einem Magnet angezogen zum Aschenbecher. »Alles, was hilft, ist –«
Ivy reichte ihr den Aschenbecher.
Claudette nahm den Joint. »Hier liegen irgendwo Streichhölzer.«
Ivy entdeckte sie auf dem Boden. Sie zündete eins an und gab Claudette Feuer. Claudette saugte an dem Joint, bis ihre Wangen hohl wurden. Dann reichte sie mit leicht hervortretenden Augen vom Luftanhalten den Joint an Ivy weiter. Ivy mochte kein Hasch, aber sie wollte etwas von Claudette, und wie sollte sie es bekommen, wenn sie nicht ein wenig Vertrauen zwischen ihnen aufbaute? Sie inhalierte.
»Ah«, sagte Claudette. »Schon besser.« Ihr Blick traf Ivys. »Wie fühlen Sie sich?«
Ivy zog noch einmal. »Was für eine Frage.«
»Wie denn?«, bohrte Claudette.
In Ivy ging alles durcheinander. Sie machte sich Sorgen, war bange, verängstigt, einsam und – vielleicht noch mehr als all das zusammen – aufgeregt; gezähmte, riesengroße Aufregung, so wie es vermutlich war, wenn man an einem langfristigen Projekt arbeitete, an dessen Ende ein potentieller Riesengewinn wartete.
»Wie ein Entdecker«, sagte Ivy.
»Sie fühlen sich wie ein Entdecker?«, fragte Claudette, nahm Ivy den Joint aus der Hand und zog wieder daran. »Cool.«
»Ja«, sagte Ivy.
»Columbus«, schlug Claudette vor.
»Was ist mit ihm?«
»Diese Art Entdecker?«
»Eher wie Lewis und Clarke«, meinte Ivy.
»Was ist der Unterschied?«, fragte Claudette.
Die Überreste des Joints waren wieder bei Ivy gelandet. Sie rauchte ihn auf und vergaß die Frage. Dann betrachtete sie eine Weile das Foto und vergaß, dass sie eine Frage gehabt hatte. »Dieses Bild ist erstaunlich«, sagte sie.
»Ja?«, erwiderte Claudette. »Ich sehe es verkehrt herum.«
Ivy drehte den Rahmen, damit Claudette es richtig herum sehen konnte. »Du hast einen BMW«, sagte sie.
»Ein Stück Scheiße«, sagte Claudette. »Selbst wenn ich fahren könnte, was ich noch drei verdammte Monate nicht darf.«
Ivy tippte mit dem Finger direkt über Frank Mandrells Kopf auf das Bild. »Er gehörte früher ihm.«
Claudette nickte. »Damals war er nagelneu«, sagte sie. Sie starrte Mandrells Bild an. »Ich verrat dir ein Geheimnis, wenn du versprichst, es für dich zu behalten.«
»Versprochen«, sagte Ivy.
Sie drehte sich zu Ivy. »Hast du einen Freund?«, fragte sie.
»Nein«, sagte Ivy.
»Aber die müssen dir doch nachlaufen«, sagte Claudette. »Jemand wie du – gebildet, hübsch.«
»Nein«, sagte Ivy. »Was ist dein Geheimnis?«
»Frank und ich hatten Sex in dem Auto«, erzählte Claudette. »Man kann den Sitz ganz weit zurückstellen. Hast du das schon mal gemacht?«
»Nein«, sagte Ivy. Eine Lüge, doch ihre Bereitwilligkeit zu teilen hatte Grenzen.
»Du solltest es mal versuchen«, riet Claudette.
»Ich sag dir Bescheid, wie’s gelaufen ist«, sagte Ivy.
Claudette begann zu lachen, konnte nicht aufhören. Sie lachte und lachte – Tränen und Speichel flossen, die Brust fiel von neuem heraus. »Du bist zum Schießen«, sagte Claudette, als sie sich endlich zusammenriss.
»Warum hast du das Auto bekommen?«, fragte Ivy.
»Ich habe drum gebeten«, antwortete Claudette. »Ich saß einfach im Revier herum, nachdem Frank ins Zeugenschutzprogramm gewandert war. Ich sagte, könnte ich es haben, und eine Woche später oder so haben sie ihr Okay gegeben.«
»Was bedeutet, dass sie mit Frank gesprochen haben.«
»Muss wohl.«
»Wurde der BMW nicht am Anleger entdeckt?«, fragte Ivy.
»Ja«, erwiderte Claudette. »Harrow hat ihn reingelegt.«
»Hat dich das überrascht?«
»Nichts, was Männer tun, überrascht mich«, antwortete Claudette. Sie nahm Ivy das Bild ab, hielt es sich nah, ungefähr dreißig Zentimeter, vors Gesicht, ihr Blick blieb an der Gestalt ihrer Schwester hängen. »Oder auch Frauen, was das betrifft«, fügte sie hinzu. Plötzlich wurde ihr Blick hart. So hart und so plötzlich, dass Ivy einen Moment völlig verblüfft war. Sie sah zweimal hin, um sich zu vergewissern.
»Gab es zwischen dir und Betty Ann Probleme?«, fragte Ivy. In diesem Augenblick fiel ihr wieder
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