Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
Gläser, Tassen und zwei Thermoskannen, die vorerst unberührt blieben.
    »Wenn er es hätte einrichten können«, begann Emanuel Hauser, »wäre der Minister persönlich gekommen. Leider hat er Gäste aus Südafrika, die heute noch München verlassen müssen, so dass er den Termin nicht verschieben konnte. Er lässt sie herzlich grüßen und dankt Ihnen für Ihren Einsatz und Ihre bisherige Arbeit bei diesem schrecklichen Fall. Alles, was ich Ihnen zu sagen habe, ist mit dem Minister abgesprochen, allerdings bin ich nicht gekommen, um Ihnen etwas mitzuteilen oder Sie um etwas zu bitten, ich bin hier, um mich aus erster Hand zu informieren. Wir alle wollen das Beste für Frau Horn, das ist klar, die Frage ist jetzt, wie wir das erreichen. Vielleicht darf ich Ihnen ein paar grundsätzliche Dinge erläutern, die die Einstellung des Ministers zu diesem Thema deutlich machen, mit Thema meine ich das Thema Ausländer, Ausländerkriminalität, Kriminalität im Allgemeinen.«
    In der kurzen Pause, die er folgen ließ, blickte er von der Schmalseite des Tisches, an der er saß, in die Gesichter der sechs Männer vor ihm, drei auf jeder Seite. Dann nahm er die Brille ab. Hauser war Ende vierzig, etwa einen Meter fünfundsechzig groß und unübersehbar ein Mann, der gern im Mittelpunkt stand und gehört wurde. Obwohl er selten die Möglichkeit bekam, in den Medien zu erscheinen, und trotz seiner dreißigtausend Mark im Monat, eines eigenen Chauffeurs und einer persönlichen Sekretärin und trotz der Tatsache, dass er bei wichtigen politischen Entscheidungen im Ministerium allenfalls am Rande vorher gefragt wurde, nutzte er Empfänge und andere Gesellschaftstermine immer wieder zu Aussagen über aktuelle Themen, wobei er unauffällig versuchte, seine Meinung in Nuancen zu der des Ministers abzusetzen. Mitunter führte sein Verhalten zu einer internen Rüge oder schlimmstenfalls zu einer öffentlichen Erklärung des Ministers. Beides ertrug Emanuel Hauser mit souveräner Haltung. Vorauseilenden Gehorsam fand er gut, aber nur, wenn er dem Vorankommen nutzte. Wenn nicht, zog er eigenmächtigen Ungehorsam vor. Sogar in seiner Partei, der CSU, konnte man damit neuerdings Punkte sammeln, und Punkte benötigte Hauser noch viele, bevor er so weit war, sich selbst als Kandidaten für das Ministeramt ins Spiel zu bringen. Dieses Amt strebte er an, und es gab Ereignisse, die schienen ihm wie geschaffen dafür, diesem Ziel einen Schritt näher zu kommen. Er wusste, er durfte nichts überstürzen, aber er wusste auch, wer zu lang zögert, bleibt ein Zögling und wird nie sein eigener Herr.
    »Was das Mädchen angeht«, sagte er und tätschelte seinen linken Arm, als klopfe er Regentropfen ab, »so ist ihr Verhalten natürlich dramatisch und bedrohlich. Gleichwohl ist es ein Mädchen, ein Kind, ihr muss geholfen werden. Im Gegensatz zu Kollegen aus anderen Parteien halten wir die Unterbringung in geschlossenen Heimen nach wie vor für sinnvoll und erzieherisch richtig. Ob es bei Lucy Arano dazu kommt, werden wir sehen. Derzeit wird der Prozess gegen sie vorbereitet…« Er sah die beiden Juristen an. »Und wir gehen davon aus, sie wird rechtskräftig verurteilt wegen ihrer achtundsechzig Straftaten. Sperren wir sie nicht ein, müssen wir in den nächsten drei, vier Jahren mit weiteren siebzig bis achtzig Opfern rechnen, die auf das Konto dieses Mädchens gehen. Der Schutz und die körperliche Unversehrtheit der Bevölkerung haben absolut Vorrang vor jeder irgendwie gearteten Nachsichtigkeit. Opferschutz muss höher bewertet werden als Täterschutz und ich weiß, alle, die wir hier sitzen, sind da einer Meinung. Festzustellen ist – auch darüber habe ich heut lange mit dem Minister gesprochen –, dass das Jugendamt eindeutig versagt hat, es hat die Brisanz dieses Falles nicht erkannt, es hat dieses Mädchen nicht ernst genug genommen, sondern es wie viele andere aufmüpfige Jugendliche behandelt, die ab und zu mal was anstellen. Das Jugendamt hätte längst prüfen müssen, ob man dem Vater nicht besser das Sorgerecht entziehen soll. Über diese Versäumnisse wird noch zu sprechen sein, nicht von unserer Seite selbstverständlich, sondern von Seiten der Stadt.«
    Wieder ging sein Blick in die Runde und verweilte einige Sekunden auf Tabor Süden, der mit verschränkten Armen dasaß und die gegenüberliegende Wand fixierte. Hauser fragte sich, ob dieser Mann ihm überhaupt zuhörte, irgendwie fand er den Kommissar unverschämt. Sie sind hier

Weitere Kostenlose Bücher