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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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straffällig geworden und das bedeutet, sie kann, wie der Herr Staatssekretär schon gesagt hat, ausgewiesen werden. Natürlich würde sie nicht alleine nach Nigeria geschickt werden, sondern mit ihrem Vater.«
    »Ausländerrechtlich hängt das Mädchen mit ihrem Vater zusammen«, sagte Hauser und nahm sich einen Keks aus der Schale. »Danke.«
    »Das Mädchen würde wegen zwei Straftaten ausgewiesen werden?«, fragte Weber.
    »Sie hat davor achtundsechzig Straftaten begangen, Herr Weber«, sagte Ronfeld. »Und sie stellt eine massive Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar, auch das ist schon mehrmals gesagt worden. Auch wenn Ihnen das nicht passt, es ist die Wahrheit, das sind die Fakten, und gäbe es diese tragische Entführung nicht, dann wäre das ganze Verfahren um Lucy Arano eine einfache Angelegenheit.«
    »Diese tragische Entführung ist aber ein Fakt«, sagte Fischer.
    »Und alles, alles, was wir tun, das nur im Ansatz so aussieht, als würden wir der Forderung der Kidnapper nachgeben, ist ein Armutszeugnis für uns, für die Stadt und für das ganze Land.«
    »Genauso ist es«, sagte Weber.
    »Genauso ist es nicht«, sagte Ronfeld. »Wir sind doch alle nüchterne Fachleute, wir sehen, was möglich ist und was nicht, wir orientieren uns an der Realität, an den Gesetzen. Wo bleibt Ihr gesunder Menschenverstand? Wir reden hier doch nicht von einem Willkürakt der Staatsanwaltschaft oder der Ausländerbehörde, wir verbreiten doch keine Hetzkampagne gegen dieses Mädchen, wir sind doch nicht froh und glücklich, wenn wir Vater und Tochter, die hier lange und zufrieden gelebt haben, aus dem Land verweisen! Das ist doch keine leichte Entscheidung, die hier getroffen wird! Aber ich bitte Sie, bevor wir weiterhin Meinungen austauschen und uns gegenseitig Übles unterstellen…«
    »Was unterstellen Sie mir Übles?«, fragte Weber. In seiner Stimme lag nicht die geringste Ironie.
    »Nichts, Herr Weber«, sagte Ronfeld, »Sie sind empört, das ist Ihr gutes Recht. Viele Menschen sind zur Zeit empört, über die Taten Lucy Aranos ebenso wie über die Entführung von Natalia Horn. Nur, Empörung hilft uns nicht, uns, die wir entscheiden, die wir handeln müssen. Ich unterstelle Ihnen höchstens, dass Sie sich von Gefühlen leiten lassen, die Ihren Verstand torpedieren. Verzeihen Sie! Lassen Sie mich das bitte zusammenfassen, damit Sie, Herr Funkel, als Leiter der Sonderkommission dem Herrn Staatssekretär noch in aller Ruhe die neuesten Ergebnisse mitteilen können, wegen denen er gekommen ist, und ich lasse Sie dann auch sofort wieder in Ruhe Ihre schwierige Arbeit machen. Wir sprechen hier vom worst case, also von dem Moment, in dem wir erkennen müssen, dass es uns nicht rechtzeitig gelingen wird, die Entführer zu enttarnen. Dann ist keine Zeit mehr zum Debattieren und Abwägen, dann müssen wir handeln und viele Millionen Menschen sehen uns dabei zu. In diesem Moment müssen wir uns bewusst sein, was wir diesen Menschen sagen, warum wir wie was tun. Wenn es also zu dieser Situation kommen sollte, was wir nicht hoffen, wahrlich nicht hoffen, dann schlage ich Ihnen vor, Sie fangen schon jetzt damit an, sich daran zu gewöhnen, dass Lucy Arano früher oder später sowieso ausgewiesen wird. Wir, die Staatsanwaltschaft und die Ausländerbehörde, werden ein Arrangement treffen, das darauf hinausläuft, dass wir auf einen Prozess verzichten, wenn die Aufenthaltsgenehmigung des Mädchens nicht verlängert wird. Das ist ein legaler Vorgang, ungewöhnlich und in dieser Form noch nicht praktiziert, aber im Rahmen der Gesetzgebung. Das heißt, wenn wir durch die Entführer gezwungen wären, Lucy und ihren Vater auszuweisen, dann müssen wir das als eine Art Präventivvollzug betrachten. Und je schneller Sie sich mit diesem Gedanken vertraut machen, desto leichter wird Ihnen im schlimmsten aller Fälle die Entscheidung fallen.«
    Ronfeld nickte in die Runde und schraubte seinen silbernen Füller zu, mit dem er sich während Hausers Ausführungen Stichpunkte notiert hatte.
    »Ich bin nicht Ihrer Meinung«, sagte Tabor Süden und stand auf. Langes Sitzen machte ihn krumm und dumpf. Er ging zur Wand hinter Ronfeld, Funkel und Thon, lehnte sich an und verschränkte die Arme. Im Gegensatz zu den beiden anderen drehte sich der Staatsanwalt nicht zu ihm um. »Ich habe gelernt, dass nicht alles, was zweckmäßig erscheint, auch gerecht ist. Ich habe auch gelernt, dass eine der Grundlagen der Rechtsprechung

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