German Angst
vorher«, sagte Funkel, »haben es aber in den ersten Berichten, die wir Ihnen geschickt haben, nicht erwähnt, es spielt keine so große Rolle.«
»Sind Sie sicher?« Mit aufeinander gepressten Lippen kaute der Staatssekretär auf etwas herum. Vielleicht einem Keksrest, dachte Weber, und der bohrt sich jetzt pfeilgerade in den Nerv rein.
»Gestern abend haben die Kollegen die Spurensuche in der Wohnung des Opfers beendet«, fuhr Funkel fort. Er spürte ein Kratzen im Hals und musste an Sonja Feyerabend denken, die krank zu Hause lag. Hoffentlich hatte sie ihn nicht angesteckt, er brauchte sofort fünfundvierzig Tropfen Toxiloges und dann jede Stunde… Unter keinen Umständen vergessen, dachte er, ich muss mir eine Notiz machen. Und während er weitersprach, kritzelte er, als wäre er Weber, das Wort »Toxiloges« auf ein Blatt Papier und kreiste es dick ein. »Sie haben Fusseln und Fasern von Kleidungsstücken sichergestellt, wir haben alles nach Münster geschickt, die arbeiten dort an der Uni mit den modernsten Apparaten. Die Sachen kommen unter den Lamma, das ist ein Gerät mit einer Lasermikrosonde, der entgeht nichts. Die Ergebnisse liegen uns, wenn wir Glück haben, schon morgen vor. Und wir haben Haare gefunden, mit denen beschäftigen sich jetzt unsere Zellgutachter. Wir hoffen auf einen genetischen Fingerabdruck, das BKA arbeitet auf Hochtouren, auch was den Brief der Entführer betrifft. Die Kollegen in Wiesbaden haben eine Infobank mit Zehntausenden von Schrifttypen und Druckbildern. Allerdings wurde in unserem Fall der Brief mit einer Schreibmaschine geschrieben, aller Wahrscheinlichkeit nach auf einer alten Olympia US, die wurde hauptsächlich von amerikanischen Soldaten und Führungsoffizieren während der Entnazifizierung benutzt. Die Herstellerfirma hat die Truppen damals speziell mit diesen Maschinen ausgerüstet, sie waren sehr handlich, leicht zu transportieren und trotzdem robust. Seit Mitte der fünfziger Jahre sind sie nicht mehr in Gebrauch, offiziell im Handel waren sie sowieso nie. So viel haben die Kollegen bisher rekonstruiert, sie sind sich zu neunundneunzig Prozent sicher, dass es sich um eine Olympia US handelt. Das Papier ist gewöhnliches Kopierpapier, das es in jedem Kaufhaus gibt. Fingerabdrücke oder andere Spuren sind keine drauf, leider auch keine Speichelreste. Aber wir haben es ja auch nicht mit Laien zu tun.«
»Dann dürfte die Spur der Schreibmaschine nicht schwer zurückzuverfolgen sein«, sagte Hauser. In den vergangenen Minuten hatte er mehrmals auf die Uhr gesehen, was Funkel nicht entgangen war. Außerdem fragte er sich, ob Hausers Chauffeur immer noch unten im Wagen saß. Wieso hatte sein Chef ihn nicht aufgefordert mit reinzugehen und in der Zwischenzeit einen Kaffee zu trinken und sich ein wenig zu unterhalten, auch wenn im Moment kaum ein Beamter des Dezernats Zeit dazu hatte? Wozu braucht ein Staatssekretär überhaupt einen eigenen Chauffeur?
»Es ist schwer«, sagte Funkel, dessen Unmut über Hausers Selbstgefälligkeit wuchs. »Natürlich haben die Kollegen sämtliche Flohmärkte der Stadt abgeklappert, aber dort verkauft niemand diese Maschinen. Die Frage ist, wieso benutzt ein Entführer eine derart spezielle Schreibmaschine, bei der er damit rechnen muss, dass wir die Herkunft der Schrift herausfinden, und zwar nach relativ kurzer Zeit? Wieso geht der Entführer dieses Risiko ein? Darauf gibt es nur eine Antwort: Es war ihm nicht bewusst, dass er ein Risiko einging. Er hat unwissentlich genau diese Schreibmaschine benutzt, woraus wir schließen, es ist nicht seine eigene Maschine, denn wenn es seine wäre, hätte er sie bestimmt nicht für diesen Zweck benutzt. Das heißt, er hat sie sich besorgt und nicht gemerkt, was für eine Rarität er da in Händen hält. Der Verkäufer hat es ihm also nicht gesagt. Aber kein Händler, der eine Olympia US anbietet, wird sie aus der Hand geben ohne den Wert anzupreisen und dem Kunden lang und breit zu versichern, was für ein Glück er hat. Wenn der Briefschreiber das gewusst hätte, hätte er die Maschine nie gekauft.«
»Kann es nicht sein«, sagte Hauser und nahm die Brille ab, »dass die Maschine doch dem Briefschreiber gehört, er aber nicht weiß, wie selten und auffällig sie ist?«
»Unwahrscheinlich«, sagte Funkel. Dann machte er eine Pause. Langsam fand er, die bisherigen Informationen müssten genügen, um dem Minister eine Freude zu machen.
»Ich verstehe.« Hauser sah auf die Uhr, weniger dezent als
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