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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Kind von Flüchtlingen bist, so wie er?«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich hab ein bisschen gesurft. Hausers Eltern stammen aus Schlesien.«
    »Mit denen wollten meine Eltern nie was zu tun haben.«
    »Die kannten Hausers Eltern?«
    »Mit den Schlesiern wollten sie nichts zu tun haben. Und umgekehrt. Die einen Flüchtlinge waren für die anderen Flüchtlinge Fremde, und zwar fremdeste Fremde. Ich fahr zu Lucy ins Gefängnis, liegt ja auf meinem Weg. Ich muss wissen, was die Reporterin vorhat.«
    Er schaltete seinen Computer aus und rieb sich die Augen.
    »Darf ich dich mal was fragen?« Freya sah ihn an. »Ist dein Rasierapparat kaputt?«
    »Ich rasier mich nicht mehr«, sagte Süden und knöpfte seine Lederjacke zu. Im Laufe der letzten fünf Jahre war sie ihm zu eng geworden, aber er trug sie wie eine Ersatzhaut und wollte sie niemals ablegen. Wenn er sie eines Tages überhaupt nicht mehr zubrachte, würde er sie eben offen tragen. Diese Jacke hatte seinem Vater gehört, und wenn Süden sie anzog, hatte er manchmal das Gefühl, ein bestimmtes Rasierwasser zu riechen, jenen süßlichherben Duft, der damals in der Küche hing, nachdem sein Vater fortgegangen war, und den er, so kam es ihm vor, zwischen seinem sechzehnten und achtzehnten Lebensjahr ununterbrochen in der Nase hatte und von dem er nie erfahren wollte, wie er hieß. Für jeden, der ihm heute zu nah kam, roch die Jacke nach abgetragenem Leder und nach Rauch, für ihn roch sie nach einem unaufhörlichen Sonntag. Auf dem Tisch hatte eine Kanne mit frischem Kaffee gestanden und über dem Stuhl hing die braune Wildlederjacke, wie vergessen. Aber sein Vater hatte sie nicht vergessen, er hatte sie dagelassen, damit sein Sohn sie aufbewahrte in der Gewissheit, sie ihm eines Tages zurückgeben zu können. So voller Wermutstropfen und Hoffnungssplitter war diese Jacke, dass Tabor Süden lieber sterben wollte als sie für immer auszuziehen und einzumotten.
    »Warum rasierst du dich nicht mehr?«, fragte Freya.
    »Weil ich mich anders nicht aushalte«, sagte er und verließ das Zimmer.
    »Wie konnte das passieren?«
    »Es war Pech«, sagte Josef Rossi, »sie wollte mir was Gutes tun, sie hat gedacht, sie hilft mir.«
    »Von denkenden Samariterinnen, die nichts als Pech bringen, halte ich nichts«, sagte Dr. Ewald Voss.
    »Ich werd sie nicht mehr treffen.«
    »Sind Sie verblödet? Damit die Frau Ihnen hinterherrennt? Sie gehen weiter zu ihr und bringen sie gefälligst dazu, sich mehr um das Schicksal ihrer Bekannten zu sorgen. Was macht unser Mann bei der Polizei?«
    »Er ist mitten im Geschehen, er ist Mitglied der Sonderkommission, das ist fabelhaft.«
    »Ich will wissen, was er macht.«
    »Er versucht Natalia Horn zu finden«, sagte Rossi und grinste vorsichtig. Auf Voss’ Gesicht entspannte sich kein Muskel. Er stand vor dem verglasten, bis zur Decke reichenden Bücherregal und hielt die Fernbedienung des Fernsehers in der Hand, der ohne Ton lief. Die beiden Männer befanden sich in einem mit Perserteppichen ausgelegten Zimmer im ersten Stock des großen Hauses, in dem Voss mit zwei Frauen lebte; die eine hätte seine Frau und die andere seine Tochter sein können, was das Alter anging. Nach Meinung Rossis war Voss nicht verheiratet, aber er hatte vom Privatleben des Vorsitzenden keine Ahnung. In der Öffentlichkeit zeigte sich der Achtundfünfzigjährige nie in weiblicher Begleitung, er hatte immer nur zwei schwer bewaffnete Leibwächter um sich. Der Raum mit dem Eichenschreibtisch, der Bücherwand, dem Fernseher, dem niedrigen Marmortisch und den drei Ledersesseln wurde von drei Kameras observiert, die unsichtbar hinter Stuck versteckt waren. Auch davon hatte Rossi keine Ahnung.
    »Er hat berichtet, sie stochern im Nebel, sie wissen nichts, sie haben keine Spur.«
    »Wie sicher ist unser Mann?«
    »Nolte gilt als absolut zuverlässig und professionell, deswegen ist er auch in der Soko. Einen Besseren hätten wir nicht finden können.«
    »So etwas weiß man erst hinterher. Was Ihre Überlegung angeht: Wir lassen die Frau noch ein paar Tage hier. Der Brief ist morgen da, dann wird man reagieren müssen, und ich denke, das wird schnell passieren. Bevor wir weitere Schritte mit der Frau unternehmen, muss der Wagen verschwinden. Unser Freund in Guben wird ihn umspritzen, einer Ihrer Leute wird ihm das Auto bringen, ich denke, morgen Nacht. Wenn die Polizei die Marke herausfindet, werden sie die hiesigen Händler überprüfen. Unser Freund Sadlow ist aus der

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