German Angst
das Porträt eines Mannes fertig, von dem Rommel behauptete, er sehe dem Käufer der Olympia US sehr ähnlich.
»Jetzt haben wir Lucy Arano einiges zu verdanken«, sagte Karl Funkel.
»Vielleicht kennt sie den Mann«, sagte Thon. »Dann kriegt sie eine Verdienstmedaille.«
Sie ließen eine Kopie des Bildes von einem Boten ins Gefängnis bringen, der auf Lucys Antwort warten sollte. Sie sagte kein Wort zu ihm, sondern schrieb nur einen Satz unter das Porträt: »Kenn ich nicht, den Wichser!«
»Sie haben richtig gehandelt, auch wenn Sie mich eigentlich vorher hätten fragen müssen.«
»Ja.«
»Sie hätten mich auch warnen müssen, als ich in die Wohnung von Frau Ries gegangen bin, wo sich Ihr Kollege aufgehalten hat.«
»Ich kannte Sie doch gar nicht! Ich seh Sie doch jetzt zum ersten Mal!«
»Das ist wahr. Wir sind alle stolz auf Sie, Sie leisten gute Arbeit, sehr gute Arbeit, und wenn diese Sache zu Ende ist, werden Sie um ein paar Mark reicher sein, verstehen Sie das?«
»Nein.«
»Dr. Voss lobt herausragende Mitarbeiter nicht nur, er belohnt sie auch, in bar.«
»Danke.«
»Noch sind wir nicht so weit. Ich verrate Ihnen was: Die Frau befindet sich noch in der Stadt, an einem sicheren Ort. Aber ich glaube, sie wäre woanders sicherer. Was denken Sie?«
»Bringen Sie sie weg von hier! Wenn Sadlow geschnappt wird, kann ich für nichts garantieren.«
»Natürlich nicht. Gut, ich werde unseren Plan ändern. Sie melden sich, wenn es was Neues gibt. Sofort!«
»Ja.«
Josef Rossi verließ das Kaufhausrestaurant und Nolte trank seinen schwarzen Kaffee aus und blätterte in einer Tageszeitung. Auf den ersten Seiten ausschließlich Geschichten und Fotos über die Entführung. Genüsslich ließ Nolte einen Tropfen Spucke auf Lucys Gesicht fallen.
14 17. August, 10.41 Uhr
D urch die Heckscheibe ihres Wagens sah er sie im Profil, wie sie telefonierte. Er machte einen Schritt zurück. In zehn Minuten, schätzte er, sind ihre Kollegen hier. Auch wenn es ihm gelingen sollte, Aufnahmen von Christoph Arano zu verhindern, so würde Nicole Sorek dennoch herausfinden und verbreiten, dass Natalia Horns Verlobter sich in der Pension aufhielt. Und dann kämen weitere Journalisten, neue Kamerateams und die ganze Umzugsaktion wäre gescheitert. Ohne länger darüber nachzudenken, wie Nicole Sorek die Pension entdeckt hatte, betrat Tabor Süden die Gaststätte, in der an einem langen Tisch etwa fünfzehn schwarz gekleidete Personen saßen, die gerade von einer Beerdigung kamen. Er grüßte flüchtig den Wirt, trat auf den Flur hinaus, dessen Haustür auf die St.-Martin-Straße führte, und rannte die Treppe in den ersten Stock hinauf. An einer der Zimmertüren klopfte er einmal lang und zweimal kurz. Als er ein leises Ja hörte, öffnete er die Tür.
Arano kauerte auf dem Boden, die Arme über dem Kopf, beobachtet von Ira Horn, die sich die Hand vor den Mund hielt. Melanie stand am Fenster und rauchte.
»Wir müssen hier weg!«, sagte Süden. Schwerfällig hob Arano den Kopf.
»Was ist passiert?«, fragte Melanie. Süden wandte sich an sie. »Seit wann sind Sie hier?«
»Grade gekommen. Ich muss auch gleich wieder weg, wollt nur schnell hallo sagen.«
»Ist Ihnen ein roter Golf aufgefallen, der Ihnen gefolgt ist?«
»Was?«
»Ist auch egal«, sagte Süden. »Wir müssen die Sachen packen und sofort verschwinden!« Bevor die anderen noch etwas erwidern konnten, nahm er Aranos Koffer aus dem Schrank und fing an, Hosen und Hemden hineinzuwerfen.
»Das knittert ja alles!«, sagte Ira Horn.
»Bitte rufen Sie bei Isar-Funk an, sagen Sie meinen Namen, sie sollen sofort ein Taxi schicken! Und der Chauffeur soll nicht über die St.-Martin-Straße fahren, sondern über die Schlierseestraße und dann in die Brünnsteinstraße und in der Hofeinfahrt neben dem Blumenladen warten!« Er nannte ihr die Nummer und stopfte weiter Socken, Schuhe und Pullover in den Koffer.
Während Ira Horn telefonierte, kniete sich Melanie neben Arano und legte den Arm um seine Schulter.
»Steh jetzt auf, Chris! Was ist denn mit dir?«
Er senkte den Kopf. Von den Bildern, die er sah, und den Stimmen, die er hörte, konnte er nicht sprechen. Es war, als wäre eine Glaswand in ihm, hinter der sich all das Grauen abspielte, und er war dazu verdammt, ein stummer Zeuge zu sein, unfähig sich abzuwenden.
»Er ist in drei Minuten da«, sagte Ira Horn und legte den Hörer auf.
Süden presste den Deckel auf den Koffer, ließ die Schlösser
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