German Angst
Wiedersehen!« Sie gab Gas und fuhr los.
»Alles Scheiße!«, schrie Nicole ins Telefon.
Da sie auf dem Sportplatz von Guben eine Landeerlaubnis brauchten, mussten sie ihre Kollegen am Ort informieren, obwohl sie das lieber vermieden hätten. Die beiden Hauptmeister Schön und Frey fuhren sie ins Zentrum der 28.000-Einwohner-Stadt und stellten ihnen mehrere Fragen, die Gerke beantwortete, ohne die Wahrheit zu sagen und zu lügen. Anschließend ließen er und Braga sich den Weg beschreiben und gingen zu Fuß weiter.
»Hier soils viele Rechte geben«, sagte Gerke.
»Hab ich gelesen«, sagte Braga, »zum Beispiel das Recht, als Ausländer so schnell wie möglich die Stadt verlassen zu dürfen.«
»Sie haben diesen Algerier zu Tode gehetzt und dann gesagt, das waren die üblichen Fun-Faschos.«
»Ist schon ein lustiges Land, Brandenburg«, sagte Braga.
»Und so fortschrittlich«, sagte Gerke, »sie steuern ihre Menschenjagden mit Mobiltelefonen.«
Vor einer geschlossenen Kfz-Werkstatt blieben sie stehen. Auf einem verbogenen Blechschild stand: MEISTERBETRIEB MIKE SADLOW. Das Garagentor war zugesperrt, ebenso die schmale Holztür des Büros, das in einem blauen Flachbau untergebracht war. Im ersten Stock befand sich eine Wohnung. An den Fenstern waren die Gardinen vorgezogen, nichts regte sich. Niemand öffnete, als Braga klingelte.
»Vielleicht hat er heut Ruhetag.«
»Du meinst, weil er sonst vor lauter Arbeit kaum zum Schlafen kommt?« Gerke ging fünfzig Meter weiter die Straße hinunter und klingelte an einem Einfamilienhaus. Eine Frau in einer bunten Kittelschürze trat auf den Balkon. Sie hatte ein langes Messer in der Hand.
»Wer sind Sie?«, rief sie, einen Schritt von der Brüstung entfernt.
»Mein Name ist Sven Gerke. Ich bin mit Herrn Sadlow verabredet, aber seine Werkstatt ist zu. Wissen Sie, wo er ist?«
»Sind Sie aus Bayern?«
»Hört man das?«
»Natürlich.« Die Frau schwieg. Dann nahm sie das Messer in die andere Hand. »Der kommt bestimmt gleich wieder, der hat über Mittag immer auf, sogar am Samstag.«
»Haben Sie ihn heute schon gesehen?«
»Ja«, sagte die Frau. Jetzt bemerkte sie, dass ein Mann, der genauso riesig war wie der unter ihrem Balkon, aus der Einfahrt von Sadlows Werkstatt kam. »Gehört der zu Ihnen?«
»Ja.«
»Sind Sie von der Presse?«
»Warum?«
Die Frau verzog ihren Mund. »Das ist alles vorbei, das sag ich Ihnen. Nur weil einmal was passiert ist, muss man nicht gleich die ganze Stadt für immer in den Dreck ziehen. Das ist alles vorbei.«
»Was ist vorbei?«
»Das mit den Negern, den Ausländern, dass der eine damals durch die Glastür gesprungen ist, das ist vorbei. So was ist nie wieder passiert.«
»Ich bin nicht von der Presse und mein Freund hier auch nicht. Wir haben einen Termin bei Herrn Sadlow, er wollte uns ein Auto besorgen…«
»Ja, das kann er. Da ist er tüchtig.« Sie hielt das Messer hoch.
»Er hat gute Connections da drüben in Polen, erste Ware. Mein Mann hat auch bei ihm seinen Wagen gekauft, einen Volvo, sehr gutes Auto. Der Herr Sadlow ist absolut seriös.«
»Dann warten wir halt auf ihn«, sagte Gerke und wandte sich ab. Braga war vor der Einfahrt stehen geblieben.
»Grüßen Sie mir das schöne Bayern!«, sagte die Frau und verschwand in der Wohnung.
Nach zehn Minuten hielt ein weißer BMW vor der Werkstatt. Ein dicker Mann in einem blauen Anzug stieg aus, eine jüngere Frau blieb im Wagen sitzen.
»Tag«, sagte der Mann. »Was ist los hier? Ich brauch mein Auto, wieso ist alles zu?«
»Wir warten auch auf Herrn Sadlow«, sagte Gerke.
»Er hat mir versprochen, ich krieg die Kiste heut Mittag, ich bin extra aus der Firma hergefahren, das ist doch Bullenmist!«
Er rüttelte am Garagentor und schüttelte den Kopf.
»Normalerweise ist der topzuverlässig, das ist doch eine Sauerei jetzt!«
»Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?«, fragte Braga. »Gestern. Nein, gestern hab ich mit ihm telefoniert, vor einer Woche ungefähr, als ich ihm die Kiste gebracht hab, ist schon zehn Tage her, wo steckt der denn?«
»Und gestern hat er gesagt, Sie können den Wagen heute holen?«, fragte Braga.
»Deswegen bin ich ja da.« Schnaufend drehte er sich um, ging zum Wagen und ließ sich von der Frau auf dem Beifahrersitz ein Handy geben. Er tippte eine Nummer ein.
»Dämliche Mailbox!« Er gab der Frau das Handy zurück. »Ich muss wieder los. Sagen Sie ihm, wenn er auftaucht, er soll sich gefälligst bei mir melden, Dr. Scheck
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