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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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hatte er beinahe verlernt.
    »Sie haben aber lange gebraucht«, sagte Christoph Arano, als er dem Hauptkommissar die Tür öffnete.
    »Ich habe noch telefoniert«, sagte Süden. »Und bin dann ein Stück zu Fuß gegangen, ich hab Luft gebraucht.«
    »Es ist immer noch schön um die Zeit«, sagte Arano traurig. Im Flur kam ihnen eine junge Frau entgegen.
    »Das ist Melanie, Nettys – die Tochter von Natalia Horn«, sagte Arano.
    »Netty ist in Ordnung«, sagte Süden und gab Melanie die Hand.
    Sie war etwa fünfundzwanzig, fast ein Meter achtzig groß und wirkte auf den ersten Blick wie eine durchtrainierte Sportlerin. Sie trug olivgrüne Hosen mit unzähligen Taschen und eine beige Bluse, deren Ärmel sie hochgekrempelt hatte. Am linken Oberarm hatte sie ein Tattoo, das Süden nicht genau erkennen konnte, es sah aus wie eine Blume mit blauen Blüten. In gewisser Weise erinnerte sie ihn an Lucy, auch sie machte den Eindruck einer selbstbewussten, kampferprobten jungen Frau, die ihr Gegenüber skeptisch und eindringlich musterte, bevor sie sich zu einer Reaktion verleiten ließ.
    »Hallo!«, sagte Melanie knapp und ging zurück ins Wohnzimmer, wo eine Teekanne auf dem Stövchen stand und auf dem Tisch eine eiförmige Lampe aus Salzkristallen brannte.
    »Ich hab Melanie Bescheid gesagt und sie ist gleich gekommen«, sagte Arano und bemerkte Südens Blicke, der sich im Raum umsah. »In diesem Zimmer behandelt sie ihre Kunden, sie hat sich alles selber eingerichtet. Sie ist staatlich geprüfte Kosmetikerin, keine Dilettantin, die so nebenher ein paar Döschen zurechtrückt und damit einen Haufen Geld macht. Netty kümmert sich sehr um ihre Kunden, sie hat hart dafür gearbeitet, dass ihr Geschäft läuft. Ursprünglich war sie ja Optikerin.«
    »Ja«, sagte Süden. Im Wohnzimmer roch es nach Limonengras und er sog den Duft des Öls tief ein.
    »Bitte setzen Sie sich!« Arano deutete auf einen Sessel. Süden blieb stehen. »Ich kann Ihre Verlobte nicht suchen lassen«, sagte er. »Sie ist erwachsen, wenn sie weggehen will, kann sie weggehen. Wohin sie will. Es ist ihre freie Entscheidung.«
    »Was glauben Sie denn?« Mit einer Mischung aus Zorn und Verständnislosigkeit zeigte Arano mit einer Bierflasche auf Süden. »Glauben Sie, sie ist zum Zigarettenholen gegangen und nicht wiedergekommen? Irrtum! Natalia raucht nicht.«
    Süden fiel auf, dass Melanie wie apathisch dasaß, rauchte und grübelnd ihre Teeschale in den Händen drehte. Es kam ihm so vor, als ringe sie mit sich, als könne sie sich nicht entscheiden zu sprechen. Sein Eindruck war, dass das Verschwinden ihrer Mutter sie weniger erschreckte als vielmehr deprimierte. Als ahne sie den wahren Grund.
    »Ich hab Vertrauen zu Ihnen«, sagte Arano. »Sie waren in den letzten Tagen sehr freundlich zu uns, Sie sind uns beigestanden, obwohl das nicht Ihr Job ist, Sie und Ihre Kollegin Frau Feyerabend. Sie haben sogar Lucy im Gefängnis besucht und mit ihr gesprochen…«
    »Wie geht es ihr?«, unterbrach ihn Süden.
    »Sie… der Psychologe sagt, sie ist kooperativ, sie benimmt sich gut, sie liest Bücher, sie bemüht sich… Ich werd Ihnen das nicht vergessen, dass Sie sich um sie gekümmert haben.«
    »Sie schuldet mir hundertsiebzig Mark.«
    Arano war so überrascht, dass er die Bierflasche auf den Tisch stellte und Süden wortlos anschaute.
    »Sie hat mich bestohlen, in dem Café, wo wir waren, ich habs Ihnen nicht erzählt, als Sie die Vermisstenanzeige aufgaben. Ich krieg Geld von Ihrer Tochter.«
    »Aber…« Arano konnte nicht glauben, was er gehört hatte.
    »Deswegen haben Sie sie besucht? Weil Sie Ihr Geld zurückhaben wollten? Hier…« Er griff in die Hosentasche und holte seinen Geldbeutel hervor. »Ich geb Ihnen zweihundert…« Er nahm zwei Scheine heraus. »Nehmen Sie das! Hier ist Ihr Geld!« Er hielt ihm die zwei Scheine hin.
    »Ich will das Geld von Ihrer Tochter zurück, nicht von Ihnen«, sagte Süden.
    »Los, nehmen Sie es! Nehmen Sie es!«
    »Lassen Sie uns über Ihre Verlobte sprechen«, sagte Süden.
    »Ja, genau«, sagte Melanie. Sie drückte die Zigarette aus und stand auf. »Ich würd gern mit Ihnen mal allein sprechen, Herr Süden.«
    Irritiert sah Arano sie an, hielt aber weiter das Geld in der ausgestreckten Hand.
    »Dann tun Sie das«, sagte Süden. Er nickte Arano zu, der langsam den Kopf schüttelte und die Scheine wieder ins Portemonnaie steckte. Der Gedanke, dieser Polizist habe keinen anderen Grund gehabt, seine Tochter zu

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