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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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besuchen, als den, die geklauten hundertsiebzig Mark zurückzukriegen, verunsicherte ihn zunehmend. Für ihn war dieses Verhalten unvorstellbar. Was war los mit diesem grünäugigen Lederstrumpf, der Fragen stellte, bei denen man unwillkürlich zusammenzuckte und sich grundlos schuldig fühlte?
    »Wieso halten Sie es für möglich, dass Netty einfach weggeht, ohne mir was zu sagen?« Vielleicht hab ich mich getäuscht, dachte Arano, ich hätte besser den Chef der Vermisstenstelle anrufen sollen, der hätte die richtigen Leute geschickt und die hätten Netty vielleicht schon gefunden. Wo steckte sie bloß?
    »Das weiß ich nicht«, sagte Süden. »Ich bin seit acht Jahren für verschwundene Personen zuständig und ich hab Familien getroffen, die waren persönlich beleidigt, weil einer von ihnen plötzlich weg war. Sie hatten keine Erklärung dafür. Wenn wir sie befragten, beschworen sie die Anwesenheit des anderen und wollten beweisen, dass sein Verschwinden unmöglich war, weil er so was ihrer Meinung nach niemals getan hätte, niemals. Und doch hat er es getan. Und wenn wir die Person dann wiederfanden, und fast alle tauchen nach kurzer Zeit wieder auf, dann stellte sich heraus, dass dieser Mensch entgegen allen Erwartungen und Vorstellungen einfach aufgestanden und weggegangen ist, schlagartig, zumindest in den Augen der anderen. So etwas passiert.«
    »Natalia macht so etwas nicht…« Arano wollte weiterreden, aber es klingelte an der Tür. Er lief hin und öffnete. Draußen stand Sonja Feyerabend.
    »Guten Abend«, sagte sie, »mein Kollege hat mich gebeten zu kommen.«
    Für einen Moment war Arano enttäuscht und als sich Sonja und Süden im Wohnzimmer kurz die Hand gaben, was er bei aller Flüchtigkeit als die zärtliche Geste zweier Vertrauter wertete, spürte er einen Stich. Er wandte sich ruckartig um und ging aus dem Zimmer.
    »Nimm seine Aussage auf!«, sagte Süden zu Sonja und sie verstand seinen Blick auf Melanie und folgte Arano in die Küche.
    »Soll ich die Tür zumachen?«, fragte Süden.
    »Nein«, sagte Melanie. Während sie redete, ging sie auf und ab, vergrub die Hände in den Taschen und suchte immer wieder angestrengt nach den passenden Worten. Sie war sich nicht sicher, ob es richtig war, so offen zu jemandem zu sprechen, den sie noch nicht einschätzen konnte. Andererseits erschienen ihr die Dinge, die geschehen waren, zu kompliziert und zu beunruhigend, um weiter den Mund zu halten und abzuwarten, was die Polizei unternahm. Und zu ihrer eigenen Verwunderung erleichterte ihr die Nähe dieses Polizisten mit dem seltsamen Namen das Sprechen, obwohl seine Fremdheit sie eigentlich vorsichtig und mundfaul hätte machen müssen.
    »Sie dürfen mich nicht missverstehen«, begann sie und wartete auf ein Zeichen der Ermutigung. Aber Süden blickte zu Boden, die Hände auf dem Rücken, den Kopf gebeugt, und rührte sich nicht. »Also… meine Mutter… Sie ist manchmal schon komisch, man kapiert einfach nicht, was in ihr abgeht.« Sie machte eine Pause, stöhnte leise und warf Süden einen Blick zu. Reglos wie zuvor stand der Kommissar da und Melanie ging um ihn herum in der Hoffnung, er würde wenigstens einmal kurz den Kopf heben. »Wie Chris gesagt hat, früher war sie Optikerin, dann machte sie diese Umschulung und kein Mensch hat was davon gewusst. Eines Tages kam sie an und sagte, sie geht jetzt auf die Berufsfachschule für Kosmetik. Mir war das egal, ich hab nur gehofft, dass sie nicht in eine andere Stadt ziehen will und so Sachen. Ich wollte meine Freundinnen nicht verlieren. Aber sie blieb hier in München.
    Das ist die berufliche Seite…« Sie zündete sich eine neue Zigarette an und schwieg. Nach einer Weile blickte Süden zu ihr hin und sie beeilte sich weiterzusprechen. »Ja… also, das ist diese Seite…« Sie ging zur offenen Tür und hörte leise Stimmen aus der Küche. Als sie sich umdrehte, strich sich Süden die Haare nach hinten und setzte sich in den Sessel. Jetzt musste sie auf ihn hinunterschauen und das war besser, irgendwie fiel es ihr auf diese Weise leichter fortzufahren. »Die andere Seite ist, dass sie… Sie war schon mal verheiratet, das heißt… eben nicht. Sie war nicht verheiratet, sie wollte es tun, aber dann hat sie gekniffen.«
    »Hab ich auch schon«, sagte Süden.
    »Ja…« Beinah hätte sie aus Neugier nachgefragt. »Aber meine Mutter hat nicht einfach Nein gesagt, sie… sie hat die krasse Variante vorgezogen.« Sie rauchte, zog die Stirn in Falten, sah

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