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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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muss.«
    »Natürlich. Allerdings ist der türkische Junge, den Sie abschieben, wie gesagt, hier geboren. Genauso wie Lucy Arano.«
    »Wohin sollen wir die denn schicken?«, fragte Grote heftig. Auf keinen Fall wollte er sich auf so einen Deal einlassen. Innerhalb einer Minute hatte er seine Entscheidung getroffen: So nicht, mit mir nicht!
    »Nach Nigeria, wohin denn sonst?«
    »Die hat doch da überhaupt keine Verwandten! Das ist doch Irrsinn! Die drei Jugendlichen, die haben alle Familie, und zwei von ihnen werden demnächst achtzehn, die würden dann sowieso abgeschoben als kriminelle Erwachsene. Ich schick doch kein Kind in ein Land, dessen Sprache sie nicht kann und wo sie niemanden, absolut niemanden kennt!«
    »Dann müssen Sie den Vater eben mit ausweisen.«
    »Bitte?« Grote war nahe daran, ausfällig zu werden.
    »Er hat in extremer Weise seine Erziehungspflichten vernachlässigt.«
    »Der Mann hat ein Bleiberecht, er lebt rechtmäßig in diesem Land, er ist nie straffällig geworden, wollen Sie ihn in Sippenhaft nehmen?«
    »Halten wir uns lieber an die Gesetze, Herr Grote«, sagte Ronfeld und steckte das Din-A-4-Blatt in die Folie zurück.
    »Das Unvermögen, ein Kind zu einem anständigen Menschen zu erziehen, kann durchaus als Grund gewertet werden, jemandem die Aufenthaltsberechtigung zu entziehen.«
    »Den Richter möcht ich sehen, der so entscheidet!«
    »Warten wirs ab! Ich möchte nur, dass Sie sich meinen Vorschlag durch den Kopf gehen lassen. Wir leben in Zeiten, in denen die Kriminalität unter Ausländern steigt und steigt, überall. Die Leute fühlen sich bedroht, sie fühlen sich nicht mehr zu Hause, sie haben Angst, sie sind verwirrt, sie erwarten, dass der Staat handelt, dass wir die Gesetze anwenden, die wir uns mühevoll und sorgsam erarbeitet haben. Denken Sie darüber nach! Ich kann mir vorstellen, dass der Oberbürgermeister meine Meinung teilt, er wird Sie ermutigen, hart und konsequent zu bleiben, da bin ich fast sicher.«
    Vergessen Sies!, dachte Grote. »Dieses Mädchen ist keine Ausländerin«, sagte er, »und ihr Vater ist auch kein Ausländer.«
    »Selbstverständlich ist er das, er hat keinen deutschen Pass, er ist ein Schwarzer.«
    »Das ist rassistisch, was Sie sagen.«
    »Es ist rassistisch, wenn ich sage, er ist schwarz? Bin ich rassistisch, wenn ich sage, dieses schwarze Mädchen ist schwer kriminell? Bin ich rassistisch, wenn ich Ermittlungen gegen den Vater wegen Verletzung der Erziehungs und Fürsorgepflicht einleite, was ich tun werde? Bin ich rassistisch, wenn ich ein Kind anklage, das achtundsechzig Straftaten begangen hat, von denen sie keine einzige bereut? Ja?«
    »Sie war nicht strafmündig, Herr Ronfeld. Was Sie hier machen, ist plumpe Vorverurteilung. Es ist überhaupt noch nicht erwiesen, dass Lucy bei den einzelnen Fällen die treibende Kraft war.«
    »Ich werde das beweisen, Herr Grote, ich habe Zeugen, die das bestätigen, Sie werden staunen, wozu dieses Mädchen alles fähig war. Und ist. Und sein wird, wenn wir sie nicht daran hindern.«
    »Was haben Sie eigentlich gegen Lucy Arano?«, fragte Grote und stand auf.
    »Ich kenne dieses Mädchen nicht, ich hab sie nur einmal getroffen«, sagte Ronfeld und stand ebenfalls auf. »Ich ermittle gegen eine uneinsichtige, unbelehrbare Schwerkriminelle. Eine Einzelbetreuung und Einzelbeschulung kostet den Steuerzahler achttausendvierhundert Mark im Monat, und das bei jemandem, bei dem Sie im Vorhinein wissen, dass er danach sofort wieder straffällig wird. Erklären Sie das der Bevölkerung! Hier missbraucht jemand auf eklatante Weise sein Gastrecht, und um nichts anderes geht es hier juristisch. Der Vater wird gute Gründe gehabt haben, die deutsche Staatsbürgerschaft nie zu beantragen. Ich geh mal davon aus, der Hauptgrund war, dass er vorhat, eines Tages wieder in sein Heimatland, das er als Kind zwangsweise verlassen musste, zurückzukehren. Vielleicht ist der Tag jetzt gekommen. Vielleicht begreift er die Ereignisse um seine Tochter als Chance, endlich seinen lange gehegten Wunsch in die Tat umzusetzen. Und wir sollten ihn nicht daran hindern.«
    »Das ist zynisch, Herr Ronfeld«, sagte Grote und öffnete die Tür.
    »Das hör ich immer wieder. Auch mein Freund, ein Jurist und übrigens der Anwalt von Lucy Arano, sagt, ich sei zynisch. Bin ich nicht. Ich bin Realist, ich weigere mich, soziale Utopien zur Grundlage der Rechtssprechung zu machen. Was wir uns vorstellen und vielleicht wünschen, hat nichts mit

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