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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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seinem sechsten oder siebten Lebensjahr in München, ich müsste nachschauen…«
    »Er war sechs, als er herkam«, sagte Ronfeld.
    »Sechs. Na also. Jetzt haben wir das Problem mit der Tochter.
    Ich hab mit dem Jugendamt gesprochen, die haben mir gesagt, ein Psychologe habe mehrmals Kontakt mit dem Mädchen aufgenommen und eine Zeit lang habe sie sich auch ruhig verhalten, sie sei umgänglich gewesen, habe regelmäßig am Unterricht teilgenommen und vor allem nichts angestellt.«
    »Nichts angestellt ist ein Euphemismus«, sagte Ronfeld.
    »Ich hab alle Unterlagen hier, die Polizei hat sie uns zur Verfügung gestellt, wir sind dankbar für diese Art Kooperation, besonders in diesem Fall.« Er blätterte eine der Akten durch und überflog ein paar Zeilen. »Sehe ich das richtig, dass Lucy Arano angeklagt werden und vermutlich keine Bewährung bekommen wird?«
    »Das ist der Grund, weshalb ich Sie sprechen wollte«, sagte Ronfeld. Er hatte Grote noch nicht oft getroffen und konnte schwer einschätzen, wie der Kreisverwaltungsreferent auf seine Idee reagieren würde, aber er musste es riskieren. Grote war der Einzige in der Stadt, der eine Entscheidung von solchem Ausmaß, wie sie Ronfeld vorschwebte, treffen konnte, und zwar praktisch allein.
    Nach allem, was Ronfeld über den Referenten erfahren hatte, gehörte er früher zum linken Flügel seiner Partei, hatte sich jedoch im Laufe der Jahre sozusagen Sprosse für Sprosse auf der nach oben offenen Karriereleiter zu einem flexiblen Politiker entwickelt, der keine Scheu vor durchaus drastischen Entscheidungen hatte, wenn sie dem Allgemeinwohl dienten. Die Chancen, Grote würde sich seinen Vorschlag zumindest anhören, standen der Einschätzung des Staatsanwalts nach also gut.
    »Sie kennen die Protokolle der Polizei«, begann Ronfeld, rutschte mit dem Stuhl ein Stück vom Tisch weg und schlug die Beine übereinander. »Jeder kennt die Protokolle, das Jugendamt ebenfalls, und ich gehe davon aus, dass auch einige Journalisten Bescheid wissen. Die halten sich im Moment noch zurück…«
    Grote lachte kurz auf.
    »Ich meine, in den Zeitungen steht nichts anderes als das, was die meisten Leute in dieser Stadt denken…«
    »Das bezweifle ich.«
    »Bezweifeln Sie es! Akten sind Fakten, was das Mädchen getan hat, kann man nicht wegdiskutieren, man kann es auch nicht wegemotionalisieren. Man kann nicht sagen: Das ist ein geschädigtes Kind, dessen Mutter unter tragischen Umständen gestorben ist, und seitdem flippt es aus und greift Leute an wie ein tollwütiges Tier. Man kann auch nicht sagen: Wir müssen das Mädchen besonders nachsichtig behandeln, weil sie schwarz und ohnedies überall benachteiligt ist. Was übrigens nicht stimmt, Lucy Arano ist voll integriert in der Schule, bei ihren Freunden, kein Wunder bei dem extrem hohen Anteil von Türken, ExJugoslawen, Griechen und so weiter. Und über eines sind wir uns klar: Dieses Mädchen stellt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar, sie ist eine Intensivtäterin, die jederzeit rückfällig werden kann und für die es hierzulande ganz offensichtlich keine Therapiemöglichkeit gibt; jedenfalls im Moment nicht. Und deshalb bin ich dafür, dass wir so rasch wie möglich sämtliche rechtlichen Instrumentarien ausschöpfen, um zu verhindern, dass Lucy Arano weiterhin die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt.«
    »Wir sprechen von einem Kind, Herr Ronfeld, und soweit ich weiß, leidet Lucy unter Depressionen, die bisher nicht behandelt wurden. Möglicherweise sollte man sie nicht in ein geschlossenes Heim stecken, sondern in einer psychiatrischen Einrichtung gründlich untersuchen.«
    »Darüber soll sich der Richter den Kopf zerbrechen«, sagte Ronfeld. Er rutschte wieder näher zum Tisch.
    »Soweit ich informiert bin, liegen dem KVR drei Fälle vor, bei denen es um minderjährige Intensivtäter geht, einen Rumänen, einen Türken und einen Serben.«
    Sprachlos schaute Grote ihn an.
    »Alle drei Jugendlichen nahmen an sozialen Trainingskursen teil, an so genannten Ökowochenenden, sie wurden zu Freizeitarrest verurteilt und einer von ihnen zu einem zweiwöchigen Dauerarrest.«
    »Woher…«
    »Das Jugendamt hat es mit Erlebnispädagogik versucht, mit Einzelbetreuung, mit all diesen immer wieder praktizierten Maßnahmen, die in einigen Fällen absolut wirksam und erfolgversprechend sein mögen. Ich unterstütze diese Art von Therapie, ich bin nicht dafür, kriminelle Jugendliche grundsätzlich wegzusperren, so

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