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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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Oppenheimer hatte sich schon gefragt, wo er Lüttke und Bauer eigentlich treffen sollte. Er war gerade im Begriff, die Hansabrücke zu überqueren, als er das Flüstern vernommen hatte.
    Auf den Stufen hinunter zum Spreeufer stand Lüttke und winkte ihm zu. So unauffällig wie möglich ging Oppenheimer zu ihm hinüber. Weiter unten stand auch Bauer und wedelte aufgeregt mit seinen Armen.
    »Na, machen Sie schon, runter mit dem Mantel«, sagte er und drückte Oppenheimer seinen eigenen Mantel in die Hand. Nachdem sie die Kleidungsstücke gewechselt hatten und die Hüte getauscht waren, stieg Bauer wieder die Treppe hinauf. »Ich gebe euch zwei Stunden.«
    Lüttke und Oppenheimer blickten Bauer nach, als er über die Brücke ging. In der hereinbrechenden Dunkelheit war er nur noch undeutlich zu erkennen, als eine weitere Person auftauchte. Der Mann blickte kurz die Stufen hinab, doch Lüttke und Oppenheimer hatten sich bereits unter den Schatten der Brücke zurückgezogen. Dann überquerte der Mann die Spree. Er folgte Bauer in einem Abstand von etwa hundert Metern. Das musste der Mann sein, der Oppenheimer an diesem Tag beschattete.
    »Noch mal Glück gehabt«, sagte Lüttke und atmete erleichtert auf. »Hätten wir länger gebraucht, wäre es knapp geworden. Mein Kollege führt ihn an der Nase herum, damit wir ungestört reden können. Kommen Sie mit. Ich habe hier gleich in der Nähe ein Fahrzeug stehen.«
    Als Oppenheimer einsteigen wollte, sah er, dass im Auto bereits ein Mann saß. An seinem runden Schädel klebten dunkle Haare in peinlich exakt geschwungenen Wellen.
    »Nur keine falsche Scham«, sagte Lüttke. »Das ist einer unserer Stenotypisten. Für den Fall, dass wir handelseinig werden.« Dann startete er den Wagen und fuhr los.
    Auf Lüttkes Befehl hin zogen sie die Sichtblenden an den Seitenfenstern herunter. Der Stenotypist schien schon einige Zeit im Fahrzeug gesessen zu haben, denn die Luft roch nach dessen öliger Haarpomade. Leider war es nicht möglich, mit heruntergezogenen Blenden ein wenig zu lüften. Oppenheimer ergab sich notgedrungen in sein Schicksal.
    Lüttke bestätigte Hildes Nachricht, dass die Abwehr auf Oppenheimers Forderung eingehen wollte, ihn und Lisa aus dem Land zu schaffen. Nachdem das geklärt war, berichtete Oppenheimer die wichtigsten Fakten, auf die er während der Morduntersuchung gestoßen war. Er erwähnte sogar die vagen Hinweise, die er von seinem ehemaligen Kollegen Billhardt bekommen hatte. Der Stenotypist schrieb eifrig mit.
    »Das klingt wirklich sehr interessant«, kommentierte Lüttke. »Es ist verständlich, dass Ihr Kollege im Fall des verdächtigen SA-Mannes nicht weiterhelfen konnte. Der Polizeiapparat ist heutzutage nicht mehr so, wie Sie ihn noch kannten. Normale Beamte haben so gut wie nichts mehr zu sagen. Überall haben die Gestapo und der SD die Finger im Spiel. Sie entscheiden, welche Fälle von ihnen bearbeitet werden, und erst danach wird der Rest an die anderen Ämter verteilt. Wenn Sie den Namen des SA-Mannes herauskriegen, könnten wir unsere eigenen Leute aktivieren, um die Akte ausfindig zu machen.«
    »Ich werde es noch mal versuchen«, sagte Oppenheimer. »Aber ich kann nicht versprechen, dass Billhardt damit rausrückt. Gibt es eine Möglichkeit, Ihnen dann Bescheid zu geben?«
    »Wir haben zu diesem Zweck bereits einen toten Briefkasten aktiviert. Doch zunächst werden Sie die Codewörter erfahren, die sie benutzen müssen, wenn Sie mit uns in Kontakt treten. Ihr eigener Deckname lautet von nun an Schiller. «
    All dies erschien Oppenheimer wie ein Spiel. Doch egal, wie lächerlich es ihm vorkam, Leute wie Lüttke und Bauer betrieben dieses Spiel mit tödlichem Ernst. Das ist wirklich wie bei Emil und die Detektive, dachte Oppenheimer und seufzte.

    Vogler schüttelte den Kopf. »Wenn es stimmt, was meine Leute herausgefunden haben, dann war Traudel Herrmann ein ganz schönes Früchtchen.«
    Obwohl es erst gegen zehn Uhr vormittags war, musste Vogler hier in seinem Kellerbüro die Tischlampe anschalten, um genügend Licht zu haben. Vor einer knappen halben Stunde hatte es wieder Alarm gegeben, weswegen sich auch Oppenheimer nach unten begeben hatte.
    Sofort nach dem Leichenfund hatte Vogler bei den Sondergerichten des Bezirks Berlin Nachforschungen anstellen lassen. Diese Gerichte beschäftigten sich mit dem sogenannten Kleinkram. Jede Straftat, die nicht als politisch motiviert galt, wurde dort verhandelt. Die Sondergerichte waren vor allem

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