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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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eingestehen, sich möglicherweise vorschnell ein Urteil gebildet zu haben. Dass Ziegler Tonaufnahmen von den Quälereien besaß, ließ nur darauf schließen, dass er an der Straftat beteiligt war. Nicht mehr und nicht weniger.
    Ein wichtiger Aspekt war, dass er Ziegler in dem Gestapo-Büro nur sitzend gesehen hatte. Der Verdächtige, den er quer durch die Berliner Innenstadt verfolgte, hatte gehumpelt. Doch Oppenheimer hatte sich nicht die Zeit genommen aufzuklären, ob Ziegler hinkte.
    Er musste schlucken, als er an die Konsequenzen dachte. Wenn es diesen ominösen Partner nun wirklich gab, und die neuen Zeugenaussagen wiesen auf diese Möglichkeit hin, dann war einer der Mörder immer noch auf freiem Fuß. Da er seinen Helfer verloren hatte, würde er seinen Modus operandi ändern, aber Frauen zu entführen und zu töten, damit würde er nicht aufhören, bis ihm jemand das Handwerk gelegt hatte. Obwohl es nicht kühl war, fröstelte Oppenheimer. Er schlug den Kragen seines Mantels hoch und stapfte mürrisch die Straße entlang. Nach dieser neuen Zeugenaussage rückte das Ende dieses Alptraums in immer weitere Ferne.

    »Das war alles wirklich verflucht knapp. Nächstes Mal müssen Sie uns mehr Zeit lassen.« Bauer blickte Oppenheimer vorwurfsvoll von der Seite an.
    »Wo ist Hilde?«, wollte Oppenheimer wissen, während er auf der Rückbank des Autos noch nach Luft rang.
    »Die treffen wir später«, erklärte Lüttke, legte den zweiten Gang ein und brauste dann weiter.
    »Amateure«, fluchte Bauer leise vor sich hin und verschränkte die Arme, ein Zeichen dafür, dass er mit der ganzen Situation nicht glücklich war.
    Pünktchen und Anton hatten Oppenheimer in der Nähe der Siedlung Onkel Tom entdeckt, als er auf dem Weg zur Kameradschaftssiedlung war. Wie aus dem Nichts war Bauer auf den Gehweg gesprungen und hatte ihn ins Auto gedrängt. Dies alles war so schnell gegangen, dass Oppenheimer immer noch darüber verwundert war, urplötzlich neben dem Mann von der Abwehr zu sitzen. Selbst der Passant, der nur wenige Meter hinter ihm seinen Hund Gassi geführt hatte, wurde von der Aktion völlig überrumpelt. Er konnte sich lediglich neugierig umdrehen, doch da war Oppenheimer bereits aus seinem Blickfeld verschwunden und saß im Auto. Offenbar hatten die beiden Männer von der Abwehr die klassischen Methoden der Gestapo für ihre eigenen Zwecke adaptiert. Und allem Anschein nach waren sie in dieser Beziehung recht talentiert.
    Lüttke hupte entnervt. Ein anderes Fahrzeug hatte sie geschnitten. »Diese verfluchten Schutthaufen! Jeder fährt so, wie es ihm gerade passt!«
    »Weiß meine Frau schon Bescheid?«, verlangte Oppenheimer zu wissen.
    »Wir waren noch nicht in Ihrer Wohnung«, grummelte Bauer. »Erzählen Sie lieber, was es Neues gibt.«
    So detailliert wie nötig schilderte Oppenheimer die Ereignisse des Tages, doch er entschied sich dafür, die neue Aussage von Frau Becker zunächst zu verschweigen.
    »Aha, Vogler hat jetzt also seinen Sündenbock«, fasste Lüttke die Situation zusammen. »Er wird sicher Karriere machen.«
    »Es bleibt nur die Frage offen, ob er sich mit dieser Lösung des Falles auch zufriedengibt«, kommentierte Bauer mit finsterem Blick. Doch Oppenheimer hörte nur halb hin. Vogler war ihm momentan egal. Wichtigere Dinge beschäftigten ihn. Er war froh, dass er in wenigen Stunden aus Deutschland verschwinden würde, doch wirklich freuen konnte er sich nicht. Die niederschmetternde Tatsache, dass es einen zweiten Täter gab, ließ sich nicht ignorieren. Also fragte er so beiläufig wie möglich: »Diese Unterlagen im Fall Lutzow, haben Sie sie zufällig auftreiben können?«
    »Die Akte ist wie vom Erdboden verschwunden«, musste Bauer eingestehen. »Unser Kontaktmann hat das ganze Archiv durchsucht. Es gibt keine Aufzeichnung, keinen Aktenvermerk, nichts.«
    »Interessant«, murmelte Oppenheimer. »Entweder sind die Unterlagen verlorengegangen, als das Polizeipräsidium am Alex bombardiert wurde, oder jemand hat sie entfernen lassen.«
    »Genau deswegen wollten wir Sie noch sprechen«, unterbrach Bauer Oppenheimer. »Sie müssen noch etwas für uns tun.«
    Oppenheimer warf Bauer einen fragenden Blick zu und erstarrte. In diesem Moment registrierte er zum ersten Mal die Häuserreihen, die an ihnen vorbeizogen. Hastig schaute er über seine rechte Schulter. Trotz der Dämmerung konnte er deutlich erkennen, wie der Führerplatz in der Ferne verschwand. Sie waren an der Einfahrt zur

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