Germania: Roman (German Edition)
hält manchmal im Keller die Stellung.«
»Dann seien Sie auf der Hut. Kommen Sie mit Ihrer Gattin und dem Gepäck heraus und steigen Sie sofort ein. Je schneller wir hier weg sind, desto besser. Alles weitere klären wir während der Fahrt.«
Langsam stieg Oppenheimer aus. Als er halb gebückt in der geöffneten Fahrzeugtür innehielt, um die Umgebung zu überprüfen, wurde ihm bewusst, wie verdächtig er sich benahm. Also steckte er seine Hände in die Manteltasche und versuchte, möglichst unauffällig zur Haustür zu schlendern.
Schon von draußen war zu erkennen, dass im Haus kein Licht brannte. Oppenheimer wunderte sich ein wenig. War Lisa schon zu Bett gegangen? Normalerweise kam sie mit wenig Schlaf aus, und heute früh hatten sie unüblich lange im Bett gelegen.
Leise trat er in den Flur. Aus Furcht, dass die Scharniere quietschen könnten, bewegte er die Tür nur langsam. Mit einem gedämpften Klicken fiel das Schloss hinter ihm zu. Dann trat er zur gegenüberliegenden Tür, die zum Keller führte. Sachte drückte er die Klinke herunter. Verschlossen.
Oppenheimer fiel ein Stein vom Herzen. Das konnte nur bedeuten, dass der Funker bereits Feierabend hatte. Zur Kontrolle ließ er seinen Blick durch das Wohnzimmer schweifen, in dem sich sein Büro befand. Auch hier war keine Menschenseele zu erblicken.
Nach dieser Entdeckung schöpfte er wieder Mut. Es lief alles wie am Schnürchen. Oppenheimer hatte insgeheim immer geargwöhnt, dass Lüttkes Fluchtplan zu schön war, um auch funktionieren zu können. Stets hatte er befürchtet, dass es doch nicht klappen würde. Dennoch hatte er bei dem Spiel mitgemacht, einfach nur, um die Hoffnung nicht aufzugeben. Oppenheimer sagte sich, dass er schließlich nicht ständig vom Pech verfolgt werden konnte. Irgendwann musste er auch mal Glück haben.
Mit diesen Gedanken stieg er zum Obergeschoss hoch. Doch was er dort sah, ließ seinen halbherzigen Optimismus wieder schwinden.
In ihrem Schlafzimmer war das Bett noch zerwühlt. Ihre Koffer standen noch gepackt in der Ecke. Doch etwas fehlte: Lisa.
27
Samstag, 24. Juni 1944
H ierher! Ich habe ihn hier drüben gesehen!« Weitere aufgeregte Rufe folgten. In letzter Sekunde war er auf die Ladefläche gesprungen und hatte gleich darauf die Abdeckung hinter sich heruntergezogen. Mit klopfendem Herzen versuchte er, still zu liegen und dabei gleichzeitig die bewusstlose Hure zu verdecken.
Seine Verfolger hatten die Spur aufgenommen, waren ihm auf den Fersen. Er wusste, dass die Geborgenheit unter der Plane trügerisch war. Sein Schutz vor den SS-Männern bestand lediglich aus hauchdünnem Stoff. Er zermarterte sein Gehirn, kam jedoch nicht darauf, welchen Fehler er begangen hatte. Nur eines stand fest, diesmal war etwas furchtbar schiefgelaufen.
Wenige Zentimeter vor seinem Gesicht war die Plane eingerissen. Durch den klaffenden Spalt konnte er die Arme und Beine der Männer erspähen. Es ließ sich nicht ausmachen, wie viele es waren. Sein Sichtfeld wurde noch zusätzlich davon eingeschränkt, dass er durch seine Gasmaske starrte.
Weitere Männer kamen hinzu und bildeten eine Gruppe. Genau neben seinem Fahrzeug.
»Die Gassen sind leer!«, rief jemand. »Er kann doch nicht verschwunden sein!«
»Er muss hier sein«, antwortete eine schneidende Stimme. »Hier, ganz in der Nähe.«
Dann war es still. Die Männer drehten sich um ihre eigene Achse und suchten die Umgebung ab.
Als er schwere Schritte hörte, presste er sich so eng gegen den schlaffen Körper der Hure, wie es nur möglich war. Wieder vernahm er die Stimme, die er zuletzt gehört hatte. Obwohl der Mann jetzt flüsterte, war offensichtlich, dass er es gewohnt war, Befehle zu erteilen. »Ich sage, er ist hier irgendwo!«
Mehr und immer mehr Uniformierte kamen hinzu, bis der Kommandant sie harsch zurechtwies. »Bleiben Sie stehen! Und seien Sie ruhig, um Himmels willen!«
Danach erstarb das Raunen der Männer. Sein Atem ging stoßweise. Sie lauschten in die Umgebung. Er wusste, dass sie ihn bei der kleinsten Regung entdecken würden. Draußen ertönte ein leises Räuspern.
»Ruhe, habe ich gesagt!«
»Aber Obersturmbannführer, wir können doch nicht …«
»Ja haben Sie es denn nicht gehört? Da war etwas! Es klang wie ein Zischen.«
Vor Schreck fuhr er zusammen. Zunächst wusste er nicht, was der Obersturmbannführer gemeint hatte, doch dann verstand er. Der Filter! Sie hörten den Filter seiner Maske! Natürlich. Mit jedem Atemzug gab er ein
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