Germania: Roman (German Edition)
Hauptsturmführer Vogler, weil ich Sie in Zehlendorf nicht angetroffen habe.«
»Wie geht es Ihnen, Güttler?«
»Sie haben mir da ja einen Auftrag gegeben. Die reinste Sisyphusarbeit, dieses Fräulein Becker aufzustöbern.« Mit einem stolzen Lächeln verkündete er dann: »Doch ich bin fündig geworden.«
»Sie wissen, wo sie wohnt?«
»Fräulein Becker ist in Dahlem untergekommen. Bei der Anmeldung wurde ihr Name falsch geschrieben. Elfriede Bäcker, ä statt e, verstehen Sie? Es hat eine Weile gedauert, bis ich dahinterkam. Sie hat angegeben, dass all ihre Papiere bei einem Bombenangriff abhandengekommen sind.«
Oppenheimer stutzte. Das passte alles nicht zusammen. Als er Fräulein Becker befragt hatte, konnte sie sich problemlos ausweisen. Und bis zu ihrem spurlosen Verschwinden hatte es keine weiteren Angriffe gegeben. Dies war nicht das Verhalten einer unschuldigen Person. Irgendetwas verbarg diese Dame. Oppenheimer notierte die neue Anschrift. »Weiß schon jemand darüber Bescheid?«
»Natürlich nicht. Sie haben mir den Auftrag gegeben, und nur Ihnen werde ich Bericht erstatten.«
»Danke, Güttler. Guter Mann. Ich hoffe, wir sehen uns wieder. Vielleicht beim nächsten Fall.«
Mit dieser leeren Versprechung und einem Handschlag verabschiedete sich Oppenheimer von dem SD-Mann. Ehe er sich versah, kreisten seine Gedanken wieder um den Fall. Als er sich vergewissert hatte, dass die U-Bahnen bereits wieder planmäßig fuhren, entschloss er sich, ein wenig früher auszusteigen. Dahlem-Dorf lag vier Stationen vor der Endstation Krumme Lanke. Fräulein Becker einen Besuch abzustatten war also kein Umweg, und schließlich hatte Oppenheimer ja noch knapp drei Stunden Zeit.
Bis zum Endsieg geschlossen, stand in großen Buchstaben auf dem vergilbten Schild. Der Inhaber der Schneiderei hatte den Zettel hinter das Glas der Eingangstür gesteckt. Ob dies sein zynischer Kommentar zu der aktuellen Kriegslage war oder ob er womöglich wirklich an den Sieg des deutschen Heeres glaubte, war daraus nicht abzulesen.
Oppenheimer musterte die Hausnummer. Es war die Sieben, die Adresse, die Güttler ihm gegeben hatte. Sollten sich seine Angaben als richtig herausstellen, dann war Fräulein Becker in diesem Haus untergekommen.
Das Gebäude war bislang von Bombentreffern verschont geblieben, so wie der ganze Straßenzug noch intakt war. Über der Schneiderei gab es zwei weitere Stockwerke. An den Fenstern hingen Gardinen. Also wohnte dort jemand.
Der Zugang zu den Wohnungen befand sich an der Seite. Oppenheimer suchte auf den vier Briefkästen nach Fräulein Beckers Namen, und tatsächlich war einer davon mit Becker beschriftet.
Als er im obersten Stockwerk angelangt war und klingelte, hörte er in der Wohnung aufgeregtes Getrappel. Einige Momente später öffnete sich schließlich die Tür, und Elfriede Becker blinzelte ihn durch ihre Brille an.
»Ja?«, fragte sie. Oppenheimer fand, das ihre Stimme unsicher klang.
»Elfriede Becker?«, fragte er.
Die Angesprochene zog unwillkürlich ihre Strickjacke fester um sich. »Was gibt es?«
»Kommissar Oppenheimer. Wir kennen uns. Damals die Sache am Steglitzer Friedhof. Ich hätte noch einige Fragen. Wenn ich hereinkommen könnte?«
»Ich … es ist leider gerade ungünstig. Ich muss gleich wieder fort. Eine Verabredung, wissen Sie.«
»Es dauert wirklich nur wenige Sekunden«, versicherte Oppenheimer, und eh sie es sich versah, hatte er sich in ihre Wohnung geschoben. Sie wirkte nur unwesentlich jünger als in jener Nacht auf der Polizeistation. Oppenheimer schätzte sie vielleicht auf Anfang bis Mitte dreißig. Zögernd wies sie ihm den Weg ins Wohnzimmer.
»Sie sind wirklich schwer zu finden«, sagte er, während er sich im Sessel niederließ.
»Was meinen Sie?«
»Die Adresse, die Sie angegeben hatten, existiert nicht mehr. Das Haus ist dem Erdboden gleichgemacht worden. Und Sie haben beim Meldeamt einen falschen Namen angegeben.«
»Was? Das kann nicht sein. Wird sich einer der Beamten wohl verschrieben haben. Ist nicht mein Fehler. Ist doch auch immer so viel los dort.«
Unter der Tischlampe stand eine gerahmte Photographie. Auf dem Hochzeitsbild strahlte Oppenheimer eine jüngere Efriede Becker entgegen. Genau genommen war sie also Frau Becker, nicht Fräulein.
»Leben Sie allein?«
»Mein Mann ist letztes Jahr an der Ostfront gefallen, wenn Sie das meinen. Am besten, Sie stellen sofort Ihre Fragen.«
»Sie haben angegeben, die Person gesehen zu haben,
Weitere Kostenlose Bücher