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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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festklammerte.
    Der Friedhof Baumschulenweg grenzte an das Waldgebiet Königsheide und war nur wenige Kilometer vom Fundort der Leiche entfernt. Das weitläufige Areal war recht unübersichtlich, da es durch die Zufahrtsstraße in zwei Hälften zerschnitten wurde. Oppenheimer hielt es durchaus für wahrscheinlich, dass hier eine Leiche abhandenkommen konnte.
    Als er die Grabreihen entlangschritt, erblickte er unweit des Krematoriums einen Mann, der wild gestikulierend auf zwei Totengräber einredete.
    »Es ist mir schnuppe, wann ihr Pause macht«, schimpfte er. »Die müssen heute unter die Erde und damit basta!«
    »Wär’s nich einfacher, wenn wir eine große Grube schaufeln?«, fragte einer der mit einem Spaten bewaffneten Männer. »Wir drei Männeken können in den paar Stunden doch nicht dutzendweise Gräber ausheben.«
    »Nix da. Massengräber sind verboten. Befehl vom Führer höchstpersönlich.« Bei Erwähnung des Führers zog der Totengräber unwillkürlich den Kopf ein.
    »Wir haben kaum noch Eis da. Sollen wir die Leichen einfach so verwesen lassen? Nein, ich will keine Scherereien mit dem Amt. Und wenn ihr rund um die Uhr schaufelt. Die Fremdarbeiter sind eben noch nicht da, um zu helfen, ich kann doch auch nichts dafür!«
    Der andere Totengräber zupfte verlegen an seiner Schlagmütze. »Also, wir wollten nur sagen, es ist nicht gerecht«, wandte er zaghaft ein.
    »Das Leben ist nicht gerecht und das Sterben auch nicht. Ich versuch, so schnell es geht, neue Arbeiter zu bekommen. Bis dahin geht’s eben nicht anders. Also macht hinne!«
    »Wir können uns nicht vierteilen«, knurrte der erste Totengräber unzufrieden und sprang in das halb ausgehobene Grab. Auch sein Kollege griff nach seiner Schaufel und wisperte: »Es jibt keene Gerechtigkeit.«
    Damit schien die Konversation beendet, und Oppenheimer räusperte sich geräuschvoll, um den Beamten auf sich aufmerksam zu machen. »Ich nehme an, dass Sie der Friedhofsverwalter sind?«
    »Ja, stimmt«, antwortete dieser, während er sich schon wieder in Bewegung setzte. Oppenheimer blieb keine andere Wahl, als neben ihm herzulaufen. »Haben Sie einen Angehörigen gefunden? Dann melden Sie es dem Wärter. Zusammen mit der Todesbescheinigung bekommen Sie dann einen Sargschein. Den müssen Sie hier wieder abliefern, den Rest erledigen wir. Wegen dem Termin zur Einsargung müssen Sie nachfragen. Eine Kleiderspende für den Leichnam ist untersagt. Spinnstoffverordnung, Sie wissen schon. Er wird zusammen mit der Kleidung bestattet, in der er gefunden wurde. Ich hoffe, damit ist alles geklärt?«
    »Ich bin nicht wegen einer Beerdigung hier«, antwortete Oppenheimer. »Es geht um einen Kriminalfall.«
    Der Verwalter blieb überrascht stehen und musterte Oppenheimer. Dann fiel ihm der Judenstern auf.
    »Moment, was soll das hier?«, fragte er misstrauisch. Er wandte sich an Hoffmann. »Hat der Jude was zu sagen?«
    Hoffmann zeigte seinen Ausweis vom Sicherheitsdienst und nahm den Verwalter diskret beiseite. Während sich die Männer leise unterhielten, dachte Oppenheimer missmutig, dass es eine schwierige Ermittlung werden dürfte, wenn jedem Gesprächspartner zuerst sein Status als externer Berater erörtert werden musste. Der Verwalter wandte sich wieder Oppenheimer zu.
    »Entschuldigung, aber ich hatte keine Ahnung. Krüger mein Name.« Er wollte Oppenheimer die Hand reichen, doch nach einem Seitenblick auf Hoffmann besann er sich eines Besseren. Verlegen rieb er sich die Hände. »Was gibt es denn? Suchen Sie einen Toten?«
    »Im Gegenteil«, antwortete Oppenheimer. »Wir wollten uns erkundigen, ob hier eventuell eine Leiche abhandengekommen ist.«
    Der Verwalter blickte ihn mit großen Augen an. »Du meine Güte, wie soll ich das denn wissen? Haben Sie eine Ahnung, wie viele Tote wir hier jeden Tag angeliefert bekommen?«
    »Führen Sie keine Listen?«
    »Listen?« Er schnaubte verächtlich. »Das ist so eine Sache mit den Listen. Sehen Sie dort drüben?« Er zeigte auf ein Rasenstück, auf dem unzählige Messingplaketten das Sonnenlicht reflektierten. »Wir beerdigen die Leute, ohne zu wissen, wer sie sind. Dann steht eben nichts auf dem Grabstein. Und jedes Mal, wenn die Engländer ihre Eier legen, kommen neue hinzu. Hier ist ein Durcheinander, das können Sie sich nicht vorstellen.«
    »Kann uns denn niemand weiterhelfen?«, fragte Oppenheimer ratlos.
    »Gehen Sie rüber zur Leichenhalle«, sagte der Verwalter mit einem Schulterzucken. »Vielleicht ist

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