Germania: Roman (German Edition)
Tinte, mein Lieber, dafür werde ich dann schon sorgen!«
»Darf ich meine Beweggründe darlegen, warum ich gerade Oppenheimer ausgewählt habe?«
Der Oberführer überlegte kurz. »Reden Sie.«
»Ich habe ihn hinzugezogen, um die Untersuchung besser kontrollieren zu können. Meine Absicht ist es, mit separaten Einheiten zu arbeiten, denen ich so wenige Informationen wie möglich über die Ergebnisse der anderen Gruppen mitteile. Die Fäden laufen nur bei mir zusammen. Der Fall des S-Bahn-Mörders hat gezeigt, wie vorsichtig wir sein müssen.«
»Was, in aller Welt, hat dieser Hundesohn von Orgozow damit zu tun?«, fragte Oberführer Schröder erstaunt.
»Als Mitglied der SS hatte Orgozow Zugang zu den Ermittlungsergebnissen. Er war der gesuchte Mörder und dabei gleichzeitig über alle Aktionen der Polizei informiert, weil er Angehöriger unserer Organisation war.«
»Dieser Wahnsinnige, den wir hier jagen, darf kein SS-Mann sein. Weiß dieser – dieser Oppenheimer, dass es eine geheime Untersuchung ist?«
»Ich habe es ihm unmissverständlich mitgeteilt.«
»Und Sie denken wirklich, dass er dichthält?«
»Oppenheimer steht unter ständiger Überwachung, seit er hinzugezogen wurde.« Dies war nur die halbe Wahrheit. Vogler hatte erst einen Tag später die Notwendigkeit erkannt, ihn beschatten zu lassen, doch er vertraute darauf, dass Graeter darüber nicht informiert war.
Der Oberführer lehnte sich in seinem Sessel zurück. Vogler spürte, dass sein Vorgehen Schröder trotz allem beeindruckte.
»Ich habe Oppenheimer beobachtet«, fügte Vogler hinzu. »Er arbeitet sehr gründlich. Darüber hinaus können wir seine fachliche Erfahrung für unsere Zwecke nutzen. Wenn wir wirklich hinter einem Juden her sind, dann könnte es ein Vorteil sein, wenn wir auch einen Juden einsetzen, um ihn zu schnappen.«
Der Oberführer schürzte nachdenklich die Lippen. »Ich hoffe, Ihnen ist klar, dass die Zeit drängt. Gruppenführer Reithermann setzt Himmel und Hölle in Bewegung, bis hin zum Führerhauptquartier. Er beschwert sich, dass noch niemand den Mord an seiner Fremdsprachennutte aufklärt hat. Wenn wir nicht bald Resultate haben, wird es Ärger geben.«
Vogler wusste, dass Reithermann Schwierigkeiten machen konnte. Er hatte den Gruppenführer bereits kennengelernt. Für ihn war Reithermann nichts weiter als eine dieser opportunistischen Kreaturen, die mit dem Nationalsozialismus nach oben gespült wurden. Dennoch nahm er im Parteiapparat eine nicht zu unterschätzende Machtposition ein.
Als Vogler und Graeter mit der Aufklärung des Mordes von Fräulein Dufour betraut wurden, schien es sich nur um einen Routinefall zu handeln. Doch spätestens nach dem Mord an Inge Friedrichsen war es sogar der obersten Riege im RSHA endgültig klargeworden, dass sie es hier mit einem kriminellen Verstand zu tun hatten, der für sie gefährlich werden konnte. Und auch Vogler war sich bewusst, dass seine Schritte zur Lösung des Falles scharf beobachtet wurden. Er musste Resultate liefern. Und zwar bald.
»Schnell, lass mich rein«, sagte der Mann mit der Sonnenbrille und drängte sich in Hildes Behandlungszimmer. Völlig überrumpelt schloss sie die Tür, ehe sie ihren Gast erkannte.
»Richard?«
Oppenheimer nahm die Brille ab. »Ich habe eine Menge zu erzählen. Ist Kaffee da?«
»Ich setze gleich welchen auf. Hm, ich will ja nichts sagen, aber du stinkst wie ein Ziegenbock. Hast du wenigstens deinen Kurschatten abgehängt?«
Oppenheimer folgte ihr quer durch die Wohnung zur Küche. »Ich habe mir ein kleines Ablenkungsmanöver einfallen lassen, und es scheint zu funktionieren.«
Hilde setzte Kaffeewasser auf und schenkte dann eine klare Flüssigkeit in ihr Schnapsglas. »Ich muss gestehen, ich kann mich gerade kaum vom Radio losreißen, selbst wenn’s gefährlich ist. Sofern die Nachrichten der BBC keine Propaganda sind, dann ist die Kacke hier wirklich bald am dampfen. Na ja, in den letzten Tagen gab es keine Nachtangriffe, vielleicht ist wirklich etwas dran. Wird auch Zeit, ich kann sie nicht mehr sehen, diese Nazis. Diese Bastarde haben ganz Deutschland zu einer Operettendiktatur gemacht. Sobald ich aus dem Haus gehe, komme ich mir vor wie in einer schlechten Inszenierung vom Zigeunerbaron. Allein schon Göring, dieser Fettwanst. Eingezwängt in seine lächerliche Uniform wie in eine Wurstpelle. Und weißt du, was ein Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches ist, wie er sich schimpft? Ich nicht. Hat es vorher
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