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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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diesem Fall also den Mord.«
    »Dann sag doch gleich, dass wir nach dem Auslöser und der Ursache für die Tat suchen sollen. Warum drückst du nur alles so kompliziert aus?«
    Hilde lehnte sich amüsiert zurück. »Na, dann sind wir uns doch einig.«
    Manchmal konnte ihn Hilde wirklich auf die Palme bringen. Oppenheimer knurrte leicht gereizt vor sich hin und suchte nach einer neuen Schallplatte. Irgendwie war ihm heute nach Kammermusik. Er beschloss, das Vivace ma non troppo aus der Sonate für Klavier und Violine in G-Dur, Op. 78 von Johannes Brahms aufzulegen. Die Sinfonien von Brahms hatten ihn immer kaltgelassen. Allenfalls die Erste, die sich stark an Beethoven orientierte, fand er ganz akzeptabel. Doch Oppenheimers Meinung nach war die eigentliche Stärke von Brahms seine Kammermusik. Wie es der Komponist schaffte, die Instrumente – einer menschlichen Stimme gleich – zum Singen zu bringen, hatte für Oppenheimer geradezu etwas Magisches.
    Als die Musik ertönte, überlegte er laut: »Versuchen wir es anders. Wenn unser Täter Frauen tötet, die ihm zufällig über den Weg laufen, können wir ihm nicht beikommen. Dann kann man nur hoffen, dass er irgendwann auf frischer Tat geschnappt wird, wie es bei Großmann passiert ist. Für uns gibt es lediglich eine vernünftige Chance, und die existiert nur dann, wenn er seine Opfer bewusst ausgesucht hat. Dazu müssen wir herausfinden, welche Gemeinsamkeiten die drei getöteten Frauen hatten und welche davon mit dem Tatmotiv zusammenhängen.«
    »Ähnelten sich die Damen vom Aussehen her?«
    »Das würde ich nicht sagen. Der Körperbau war unterschiedlich, die Haarfarbe ebenfalls. Fräulein Gerdeler war brünett, doch eher hell, Fräulein Dufour war schwarzhaarig, Inge Friedrichsen aschblond. Fräulein Gerdeler kleidete sich auffällig, um ihre Attraktivität zu unterstreichen, Fräulein Friedrichsen hingegen eher nicht, soweit ich das beurteilen kann. Das Aussehen kann nicht der ausschlaggebende Grund gewesen sein.«
    »Doch sie waren fast gleichaltrig.«
    »Stimmt. Sie waren alle in den Zwanzigern. Und wenn wir ihre Lebensumstände berücksichtigen, dann hatten sie alle auf die eine oder andere Weise mit der NSDAP oder den Parteigenossen zu tun.«
    Stille senkte sich über sie, die von der Musik nur unzulänglich gefüllt wurde. Der Gedanke und die Schlussfolgerungen, die sich möglicherweise daraus ziehen ließen, waren nicht gerade angenehm.
    »Moment, bei Christina Gerdeler lässt sich das nicht so ohne weiteres behaupten«, warf Hilde ein. »Sie ließ sich von wohlhabenden Männern bespringen, die sie im Adlon aufstöberte.«
    »Und wer verkehrt im Adlon? Wer hat so viel Geld, dass er es dort ausgeben kann? In der Regel sind es die Parteibonzen. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass sich einige von ihnen unter ihren Kunden befanden. Inge Friedrichsen arbeitete im Lebensborn und war in der Partei, Fräulein Dufour arbeitete für einen SS-Gruppenführer. In dieser Hinsicht besteht eindeutig ein Zusammenhang zwischen den Damen.«
    Hilde weigerte sich, diesen Gedanken zu akzeptieren. Sie schüttelte heftig den Kopf.
    »Ich zweifle daran, dass das ausschlaggebend ist. Ich meine, wie viele weibliche Personen gibt es hier überhaupt noch, nachdem die Familien evakuiert wurden? Berlin ist doch im letzten Jahr eine Männerstadt geworden. Die Frauen, die hiergeblieben sind, sind normalerweise berufstätig. Da sich die Nazis so gut wie überall eingenistet haben, ist es fast ausgeschlossen, im Berufsleben oder privat mit der Partei nicht in Berührung zu kommen. Insbesondere hier in Berlin, wo es die Ämter und Verwaltungen gibt. Schau es dir doch an, fast jeder ist irgendwie in die Partei eingebunden.«
    »Hm, vielleicht hast du recht.« Oppenheimer kapitulierte. »Versuchen wir es anders. Wo kommen sie her? Inge Friedrichsen wohnte in Pankow, Christina Gerdeler in der Stadtmitte und Fräulein Dufour in Friedrichshain. Die Wohnorte liegen nahe beieinander.«
    Hilde zog dies mit einem skeptischen Blick in Betracht. »Gut, aber uns fehlen noch die Fundorte. Oberschöneweide, Kreuzberg und Marienfelde.«
    Oppenheimer überlegte kurz, dann sah er Hilde an. »Fällt dir was auf?«
    »Allerdings. Oberschöneweide und Marienfelde liegen außerhalb.«
    Oppenheimer nahm den Faden auf. »Beides sind fast schon separate Ortschaften. Beide liegen südlich.«
    »Kreuzberg liegt in der Innenstadt, aber ebenfalls südlich vom Zentrum«, sagte Hilde aufgeregt. Sie waren auf

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