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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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noch nie gegeben, keine Ahnung, was das für ein Posten sein soll. Mit Görings Titel als Reichsjägermeister kann ich wenigstens etwas anfangen. Lauter geltungssüchtige Trottel, diese Nazi-Bonzen.« Ehe sie von ihrem Schnaps nippte, fragte sie: »Willst du auch einen? Ist was Besonderes. Echt italienisches Rezept.«
    »Italienisch?«, wiederholte Oppenheimer interessiert. »Was ist denn da drin?«
    Hilde reichte ihm das Glas, doch der Gedanke, dieses zweifellos abscheuliche Gesöff seine Kehle hinunterrinnen zu lassen, ließ Oppenheimer zögern. »Ach nein, ich glaube, ich will es doch nicht wissen. Wir haben in dieser Woche einiges herausgefunden. Es gab schon früher Opfer. So wie es aussieht, haben wir es mit einem Massenmörder zu tun.«
    Überrascht stellte Hilde das Glas ab, noch bevor sie überhaupt getrunken hatte. »Das sind aber Scheiß-Nachrichten, die du hast. Erzähl.«
    Während Oppenheimer eine Aufnahme des Klavierquintetts A-Dur, opus post. 114 von Franz Schubert auflegte, das gemeinhin auch als Forellenquintett bekannt war, fasste er knapp die wichtigsten Indizien bezüglich der ersten beiden Morde zusammen. Nachdem er auch von Inge Friedrichsens Verbindung zum Lebensborn berichtet hatte, runzelte Hilde ihre Stirn.
    »Die Friedrichsen war beim Lebensborn? Und das Heim sah nicht wie ein arischer Edelpuff aus?«
    »Das nicht. Aber da laufen komische Vögel herum.«
    »Darauf hätte ich wetten können. Es würde mich auch wundern, wenn die Nazis noch etwas anderes hochbekämen als nur ihren rechten Arm. Wenn sie es könnten, würden sie sich doch glatt in Reagenzgläsern fortpflanzen.«
    »Gruppenführer Reithermann scheint nicht zu dieser Sorte Nazi zu gehören. Anscheinend geht jeder davon aus, dass Julie Dufour nicht nur seine französische Fremdsprachenkorrespondentin war, sondern auch seine Mätresse.«
    »Alles in allem beginnt der Fall allmählich interessant zu werden. Es wundert mich nicht, dass noch mehr Opfer aufgetaucht sind. Die rituelle Art der Morde sprach eindeutig dafür. Und weißt du noch, mit welchen Mördern wir unseren Täter verglichen haben? Großmann, Kürten, alles Massenmörder. Die drei Opfer, von denen wir wissen, waren erst der Anfang, so viel ist sicher. Jedenfalls können wir jetzt eine Chronologie der Taten erstellen. Doch ich frage mich immer noch, wie die Verletzungen zu deuten sind.«
    »Du gehst davon aus, dass er damit etwas sagen will?«
    »Da können wir wohl sicher sein. Ich weiß nicht, ob es sich psychoanalytisch deuten lässt. Da wir nur seine Opfer untersuchen können, wäre es vielleicht naheliegend, die behavioristische Methode anzuwenden.«
    »Ja, ich weiß, was jetzt kommt.« Oppenheimer seufzte. Hilde war wieder bei ihrem Steckenpferd angelangt, den Schriften von John B. Watson.
    »Ach so?«, fragte Hilde. »Na gut, dann erkläre es mir mal. Was sagt Watson über Handlungen?«
    Derart in die Enge getrieben, versuchte Oppenheimer, sich zu erinnern. »Also«, begann er, »alle Handlungen lassen sich zerlegen in ein Schema mit einem Reiz, der eine bestimmte Reaktion hervorruft.«
    »Brav gelernt. Das Reiz-Reaktions-Schema. Watson geht davon aus, dass es nur drei Arten von Gefühlsreaktionen gibt: Furcht, Wut und Liebe. Alle anderen Reaktionen werden erlernt oder, genauer gesagt, durch die Konditionierung erworben.«
    Sie hatten bereits über die Konditionierung gesprochen. Natürlich kannte Oppenheimer das Experiment mit dem Pawlowschen Hund, das in diesem Zusammenhang immer zitiert wurde. »Das ist alles gut und schön«, protestierte Oppenheimer. »Doch Menschen sind komplexer als Hunde.«
    »Ich weiß nicht. Bei manchen bin ich mir da nicht so sicher. Schau dir das Arschgesicht von Vogler an. Pawlows Hund sabberte, wenn es klingelte, Vogler bringt Leute um, wenn er eine Klingel hört. Wo ist da der Unterschied?«
    »Hilde, das ist nicht dasselbe. Die Behavioristen sagen, dass der menschliche Geist nichts anderes ist als eine – wie hieß es noch?«
    »Du meinst die Blackbox?«
    »Ja, diese ganze Theorie, dass der Mensch nicht mehr als eine Maschine ist, die Reize in Reaktionen umsetzt, reicht einfach nicht aus, um Verhalten zu erklären. Am Schreibtisch mag das gehen, im Labor vielleicht auch noch, aber in der Realität, und das sage ich jetzt als Mordkommissar, funktioniert das nicht. Außerdem, wie soll uns das helfen? Was sollten wir denn tun, wenn es nach Watson ginge?«
    »Wir müssten nach dem Stimulus suchen, der die Reaktion hervorruft, in

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