Germania: Roman (German Edition)
schon weitergekommen?«
»Es gibt gewisse Verdachtsmomente. Deswegen bin ich hier. Ich hätte eine kurze Frage.«
»Schießen Sie los.« Sie blickte ihn erwartungsvoll an, dann zückte sie eine Schachtel Streichhölzer. »Feuer?«
Oppenheimer stutzte. Dann erinnerte er sich daran, das er Voglers Rat befolgt und eine Zigarette in seine Spitze gesteckt hatte. »Danke, aber – ich gewöhne es mir gerade ab.«
»Interessante Methode«, sagte Fräulein Behringer wenig überzeugt und musterte die Zigarette.
»War Fräulein Friedrichsen jemals im Hotel Adlon?«
Fräulein Behringer musste bei diesem Gedanken kurz auflachen. »Mein lieber Herr Kommissar, ich weiß wirklich nicht, welche Vorstellungen Sie von unserem Gehalt haben. Ich meine, das A-dlon « – sie zog den ersten Buchstaben in die Länge – »wenn ich dort dinieren könnte, dann bräuchte ich sicher nicht in diesem Laden hier arbeiten. Also, ich kann es nicht beschwören, dass Inge niemals dort war, aber – nein, das hätte sie mir erzählt.«
»Sie hat niemals davon gesprochen? Hat sie vielleicht in einem anderen Zusammenhang das Adlon erwähnt?«
»Sie können mich so oft fragen, wie Sie wollen. Sie hat das Hotel niemals erwähnt und auch keine Anspielung diesbezüglich gemacht.«
Oppenheimer nickte. »Vielen Dank für Ihre Hilfe«, murmelte er unzufrieden. »Falls Sie sich doch noch an etwas erinnern sollten, können Sie mich über Hauptsturmführer Vogler erreichen.«
Auf dem Weg nach Zehlendorf nahm Oppenheimer nicht mal Hoffmanns halsbrecherische Fahrweise wahr, so enttäuscht war er von Fräulein Behringers Auskunft. Es gab keinen Anhaltspunkt, der das Hotel Adlon mit Inge Friedrichsen in Verbindung brachte. Er zweifelte nicht daran, dass Fräulein Behringers Angaben zutreffend waren. Egal, wie angestrengt Oppenheimer auch darüber nachdachte, er musste sich schließlich eingestehen, in eine Sackgasse geraten zu sein.
Im Wohnzimmer des Zehlendorfer Häuschens fuhr Oppenheimer damit fort, die Fakten zu ordnen, die in den letzten Tagen auf ihn eingeprasselt waren. Immer wieder heulten in der Ferne die Sirenen, doch er kümmerte sich kaum darum. Es dauerte zwei ganze Tage und den Vormittag des nächsten Tages, ehe er die Informationen halbwegs geordnet und das Schaubild an der Wohnzimmerwand vervollständigt hatte. Zunächst heftete er zwei weitere Papierschnipsel mit den Namen von Christina Gerdeler und Julie Dufour in die Mitte, direkt unter den Zettel für Inge Friedrichsen. Die Liste des Herrn Doktor war auch bereits eingetroffen. Auf ihr befanden sich die Namen aller Lebensborn-Mitarbeiter, die Inge Friedrichsen kannten und immer noch in Klosterheide tätig waren. Es waren etwa vierzig Personen. Oppenheimer schrieb die Namen auf neue Zettel und heftete sie zu den anderen Verdächtigen. Zwei Personen waren zur Tatzeit abwesend gewesen: eine Hebamme namens Erika Möller, die nachweislich an einer Beerdigung teilgenommen hatte, und Irmgard Hupke, eine braune Schwester vom NSV, die gerade an jenem Wochenende ihre Stelle in Klosterheide gekündigt hatte. Obwohl Oppenheimer es für unwahrscheinlich hielt, dass eine Frau als Täter in Frage kam, rückte er die Zettel mit den Namen der beiden ein wenig mehr ins Zentrum. Als Nächstes kamen die Verdächtigen und Zeugen im Fall Dufour, deren schwindelerregende Menge Oppenheimer immer wieder dazu nötigte, in den Akten nachzuschlagen, um sicherzugehen, dass er niemanden vergessen hatte. Die Anzahl der Verdächtigen im Fall der Abenteurerin Christina Gerdeler blieb jedoch enttäuschend. Es gab bislang keine zuverlässigen Hinweise, von wem sie ihr Geld erhalten hatte. In ihren Notizbüchern fanden sich nur kryptische Kosenamen, die beim besten Willen nicht zu entschlüsseln waren.
Eine Tasse mit heißem Kaffee in den Händen, starrte Oppenheimer auf die Zettelwirtschaft an der Wand. Vielleicht hatten die Opfer ja noch andere Gemeinsamkeiten als das Adlon.
»Ich schätze, ich muss Gruppenführer Reithermann sprechen«, sagte Oppenheimer, als Vogler am Mittwochnachmittag vorbeischaute. »Können Sie das irgendwie arrangieren?«
Vogler überlegte kurz. »Sie wollen ihn vernehmen?«
»Tja, mir bleibt wohl nichts anderes übrig. Im Fall Dufour haben wir zwar eine Menge Augenzeugen, doch die Details zu ihrer Person sind arg dürftig. Ich brauche mehr Hintergrundinformationen. Nur Reithermann kann sie liefern.«
Vogler nickte. »Wir werden das gleich morgen erledigen. Ich stelle nur eine Bedingung:
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