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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Rundgang, um Anweisungen auf Brot und Fleisch auszuteilen. Allein Frau Hennebeau war erstaunt, als sie von der Not der Bergleute von Montsou reden hörte. Waren sie denn nicht sehr glücklich? Leute, die auf Kosten der Gesellschaft Wohnung, Heizung und ärztliche Pflege hatten? In ihrer Gleichgültigkeit für diese Herde wußte sie von ihr nur die eingelernte Lektion, die sie hersagte. um die Besucher aus Paris in Verwunderung zu versetzen; sie glaubte schließlich daran und war entrüstet über den Undank des Volkes.
    Negrel fuhr inzwischen fort, Herrn Grégoire zu erschrecken. Cäcilie mißfiel ihm nicht, und er war bereit, sie zu heiraten, um seiner Tante gefällig zu sein; aber es stellte sich bei ihm kein Liebesfieber ein; er war ein junger Mann von Erfahrung, der sich nicht mehr »verbrannte«, wie er sich ausdrückte. Er gab sich für einen Republikaner aus, was ihn nicht hinderte, seine Arbeiter mit äußerster Strenge zu behandeln und in Gesellschaft der Damen sich über sie lustig zu machen.
    »Auch ich teile nicht den Optimismus meines Oheims«, fuhr er fort. »Ich befürchte ernste Unruhen... Darum rate ich Ihnen auch, Herr Grégoire, die Piolaine zu verriegeln. Man könnte sie ausplündern.«
    Herr Grégoire, dessen gütiges Antlitz ein Lächeln erhellte, war eben im Zuge, seine Frau an väterlichen Gesinnungen für die Arbeiter zu überbieten.
    »Mich ausplündern?« rief er verblüfft. »Warum denn?«
    »Sind Sie nicht ein Aktionär von Montsou? Sie tun nichts und leben von der Arbeit der andern. Kurz, Sie sind das infame Kapital, und das genügt. Seien Sie dessen sicher, daß die siegreiche Revolution Sie zwingt, Ihr Vermögen als gestohlenes Geld wieder herauszugeben!«
    Er verlor sogleich die kindliche Ruhe und heitere Sorglosigkeit, in der er lebte.
    »Mein Vermögen gestohlenes Geld?« stammelte er. »Hat mein Urahn die Summe, die er ehemals in dem Unternehmen angelegt, nicht durch harte Arbeit erworben? Und haben wir nicht alle Wagnisse dieses Unternehmens geteilt? Mache ich etwa einen schlechtem Gebrauch von dem Erträgnisse?«
    Frau Hennebeau ward unruhig, als sie Mutter und Tochter erbleichen sah; sie beeilte sich also, sich einzumengen, und sagte:
    »Paul scherzt nur, Herr Grégoire.«
    Doch Herr Grégoire war außer sich. Als der Diener eben Krebse herumreichte, nahm er drei, ohne recht zu wissen, was er tat, und begann die Krebsenfüße mit den Zähnen zu knacken.
    »0 gewiß, es gibt Aktionäre, die Mißbrauch treiben. So hat man mir beispielsweise erzählt, daß Minister Anteile an den Gruben von Montsou erhalten haben gleichsam als Trinkgeld für Dienste, die sie der Gesellschaft geleistet hatten. Ganz so wie jener große Herr, den ich nicht nennen will, ein Herzog, der stärkste unserer Aktionäre, dessen verschwenderische Lebensweise ein wahrer Skandal ist, der für Weiber, Schmausereien und einen nichtsnutzigen Luxus Millionen hinauswirft ... Aber wir, die wir ein Leben ohne Aufsehen führen wie rechtschaffene Leute; wir, die wir nicht spekulieren, die wir uns begnügen, vernünftig von dem zu leben, was wir haben, und den Armen ihren Teil davon geben ... Ihre Arbeiter müßten rechte Räuber sein, wenn sie uns auch nur eine Stecknadel nehmen wollten«
    Negrel selbst mußte ihn beschwichtigen, übrigens sehr belustigt durch seinen Zorn. Die Krebse waren noch auf der Tafel, man hörte das leise Knacken der Scheren, während die Unterhaltung sich der Politik zuwandte. Herr Grégoire erklärte, noch vor Aufregung zitternd, er sei trotz alledem liberal, und bedauerte Louis Philippe. Deneulin war für eine starke Regierung; er erklärte, der Kaiser gleite die schiefe Bahn gefährlichen Nachgebens hinab.
    »Erinnern Sie sich des Jahres 89!« sagte er. »Der Adel war's, der durch seine Mitschuld, durch seine philosophischen Neigungen die Revolution möglich gemacht hat ... Heute spielt das Bürgertum das nämliche blöde Spiel mit seinem wütenden Liberalismus, seiner Zerstörungswut, seinen Schmeicheleien für das Volk. Ja, ja, Sie machen dem Ungeheuer scharfe Zähne, damit es uns zerfleische. Es wird uns zerfleischen, seien Sie dessen sicher!«
    Die Damen hießen ihn schweigen und suchten ein anderes Gespräch anzuknüpfen, indem sie ihn nach seinen Töchtern fragten. Luzie sei in Marchiennes. berichtete er, um mit einer Freundin Gesangsübungen zu halten. Jeanne male den Kopf eines alten Bettlers. Doch Herr Deneulin erzählte diese Dinge mit zerstreuter Miene; er ließ kein Auge von dem

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