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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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italienisches Kabinett aus dem siebzehnten Jahrhundert, ein spanischer Contador aus dem fünfzehnten, eine Altardecke als Decke am Kamin, die Verbrämungen alter Meßgewänder, als Aufputz von Türvorhängen verwendet. All das Altgold, diese alten Seidenstoffe in den matten Farben, all der kapellenartige Luxus hatte in ihnen ein Gefühl achtungsvollen Unbehagens hervorgerufen. Die orientalischen Teppiche schienen mit ihrer hohen Wolle sie an den Füßen zu fesseln. Am meisten aber benahm ihnen den Atem die Hitze, eine gleichmäßige, durch Wasserdämpfe hervorgebrachte Hitze, die den von der Straße kommenden, durchkälteten Leuten eine wohltuende Überraschung war. So vergingen fünf Minuten; ihre Verlegenheit wuchs immer mehr in dem Wohlbehagen dieses prächtigen, sorgfältig geschlossenen Gemaches.
    Endlich kam Herr Hennebeau in seinem militärisch zugeknöpften Rocke mit der Schleife seines Ordens im Knopfloche. Er nahm zuerst das Wort.
    »Ah, da seid ihr ja! Ihr lehnt euch auf, wie es scheint.«
    Er unterbrach sich, um mit einer gewissen steifen Höflichkeit hinzuzufügen:
    »Setzt euch; es ist mir gerade recht, daß ich Gelegenheit habe, mit euch zu reden.«
    Die Arbeiter drehten sich um und suchten Sessel. Einige wagten Platz zu nehmen; andere blieben stehen, eingeschüchtert durch die Seidenstoffe.
    Eine Stille trat ein. Herr Hennebeau, der seinen Lehnsessel zum Kamin gerollt hatte, betrachtete sie mit lebhaftem Interesse und suchte sich ihrer Gesichter zu erinnern. Er hatte Pierron erkannt, der sich in der hintersten Reihe zu verbergen trachtete. Seine Augen waren auf Etienne haften geblieben, der ihm gegenüber saß.
    »Was habt ihr mir zu sagen?« fragte er.
    Er erwartete, daß der junge Mann das Wort ergreifen werde, und war dermaßen überrascht, als er Maheu vortreten sah, daß er nicht umhin konnte hinzuzufügen:
    »Wie, Ihr seid es? Ein guter Arbeiter, der sich immer so vernünftig zeigte, ein alter Insasse von Montsou, dessen Familie seit dem ersten Spatenstiche in den Gruben arbeitet. Das ist schlimm; es betrübt mich, Euch an der Spitze der Unzufriedenen zu sehen.«
    Maheu hörte mit gesenkten Blicken diese Worte an. Dann begann er mit anfänglich zögernder und dumpfer Stimme:
    »Herr Direktor, eben weil ich ein ruhiger Mensch bin, dem man nichts vorzuwerfen hat, haben meine Kameraden mich gewählt. Dies mag Ihnen ein Beweis sein, daß es sich nicht um den Aufruhr von Randalmachern, von unruhigen Köpfen handelt, die nur Unfrieden stiften wollen. Wir wollen bloß Gerechtigkeit; wir sind es müde, Hunger zu leiden, und es scheint uns, daß es an der Zeit wäre, eine Einigung zu treffen, damit wir wenigstens unser tägliches Brot haben.«
    Seine Stimme gewann an Sicherheit. Er erhob die Augen und fuhr fort, während er den Direktor anblickte:
    »Sie sehen ein, daß wir Ihr neues Lohnsystem nicht annehmen können ... Man wirft uns vor, daß wir schlecht verzimmern. Es ist wahr, wir widmen dieser Arbeit nicht die notwendige Zeit. Wenn wir es täten, würde unser Tageserwerb sich noch mehr vermindern; und da er schon jetzt nicht hinreicht, um uns zu ernähren, so wäre dies für Ihre Leute der Kehraus, das Ende von allem. Zahlen Sie uns besser, und wir werden besser verzimmern, werden der Verholzungsarbeit die nötige Zeit widmen, anstatt unsern ganzen Eifer dem Ausschlag zuzuwenden, weil dies die einzig lohnende Arbeit ist. Es gibt keinen andern Ausweg: eine gute Arbeit muß auch gut bezahlt werden ... Was haben Sie statt dessen ersonnen? Eine Sache, die uns nicht in den Schädel will. Sie vermindern den Preis des Karrens und behaupten, diese Verminderung dadurch wettzumachen, daß Sie die Verholzung gesondert bezahlen. Wäre dies wahr, dann wären wir nicht minder betrogen; aber uns verdrießt eben, daß es gar nicht wahr ist; die Gesellschaft ersetzt uns gar nichts, sie steckt einfach zwei Centimes bei jedem Karren in die Tasche.«
    »Ja, ja, so ist es«, murmelten die übrigen Abgesandten, als sie sahen, daß Herr Hennebeau eine heftige Gebärde machte, wie um Maheu zu unterbrechen.
    Maheu schnitt übrigens dem Direktor das Wort ab. Er war jetzt im Zuge, die Worte kamen von selbst. Zuweilen hörte er sich selbst mit Überraschung, als habe ein Fremder in ihm gesprochen. Es waren Dinge, die sich in der Tiefe seiner Brust angehäuft hatten; Dinge, von denen er gar nicht wußte, daß sie da seien, und die jetzt hervorbrachen, weil sein Herz zu voll war. Er schilderte ihrer aller Elend, die harte

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