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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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wünscht.«
    Etienne ließ ihn ruhig sprechen, während er seine Leute betrachtete und seine Lippen von einem nervösen Zittern bewegt wurden. Bei dem letzten Satze lächelte er und antwortete einfach:
    »Das ist also eine neue Forderung; denn bisher haben Sie, Herr Direktor, diese Kontrolle nicht gefordert ... Unser Wunsch ist unglücklicherweise der, daß die Gesellschaft sich weniger mit uns beschäftige, und daß sie, anstatt die Rolle der Vorsehung zu spielen, ganz einfach gerecht sei und uns gebe, was uns gebührt, unsern Gewinn, den sie mit uns teilt. Ist es rechtschaffen, bei jeder Krise die Arbeiter Hungers sterben zu lassen, um die Dividenden der Aktionäre sicherzustellen? ... Sie mögen sagen, was Sie wollen, Herr Direktor: das neue Lohnsystem bedeutet eine neue Lohnverminderung, und das empört uns; denn wenn die Gesellschaft Ersparungen machen muß, tut sie sehr unrecht, bloß bei dem Arbeiter zu sparen.«
    »Also, da sind wir ja auf dem gewissen Punkt!« rief Herr Hennebeau. »Ich erwartete diese Anklage, daß wir das Volk hungern lassen und uns von seinem Schweiße nähren. Wie können Sie solche Torheiten reden, der Sie wissen sollten, welches große Risiko die Kapitalien in der Industrie, beispielsweise im Bergwerksbetriebe haben? Eine vollständig eingerichtete Grube kostet anderthalb bis zwei Millionen; und wieviel Mühe hat man, ehe man aus einer solchen Summe eine mäßige Verzinsung zieht! Fast die Hälfte der Bergwerksgesellschaften in Frankreich geht zugrunde ... Es ist übrigens blöd, die Erfolg haben, zu beschuldigen. Wenn ihre Arbeiter leiden, leiden auch sie selbst. Glauben Sie, daß die Gesellschaft in der gegenwärtigen Krise nicht ebensoviel zu verlieren hat wie Ihr? Sie ist nicht Herrin des Lohnes; sie muß sich dem Wettbewerbe fügen, wenn sie nicht zugrunde gehen will. Haltet Euch an die Tatsachen und nicht an sie ... Aber Ihr wollt nicht hören und nicht begreifen!«
    »Doch, wir begreifen,« sagte der junge Mann, »daß es für uns keine Besserung gibt, solange die Dinge so gehen, wie sie gehen, und darum müssen früher oder später die Arbeiter sich entschließen, einen anderen Weg zu betreten.«
    Dieses Wort, so gemäßigt in der Form, wurde halblaut mit einer solchen Überzeugung gesprochen, durch die eine Drohung hindurchzitterte, daß eine tiefe Stille eintrat. Eine Verlegenheit, ein Hauch der Furcht zog durch das stille Gemach. Die anderen Abgeordneten, die nur unvollkommen begriffen, fühlten doch, daß der Kamerad inmitten dieses Wohlstandes ihren Teil forderte, und sie begannen scheele Blicke zu werfen auf die warmen Vorhänge und Teppiche, auf die bequemen Sessel, auf allen den Luxus, dessen geringstes Stück hingereicht hätte, ihnen einen Monat lang ihre Suppen zu bezahlen.
    Herr Hennebeau hatte eine Weile nachdenklich dagesessen und erhob sich dann, um sie zu verabschieden. Alle folgten seinem Beispiele. Etienne hatte Maheu sachte mit dem Ellbogen angestoßen, und dieser sagte schwerfällig und schwankend:
    »Ist das alles, mein Herr, was Sie uns antworten? Wir werden also unseren Kameraden sagen, daß Sie unsere Bedingungen verwerfen.«
    »Ich verwerfe gar nichts, lieber Mann«, rief der Direktor. »Ich bin ein bezahlter Angestellter wie ihr und habe hier nicht mehr eigenen Willen als der letzte eurer Handlanger. Man gibt mir Weisungen, und es ist meine Aufgabe, darüber zu wachen, daß sie gebührend durchgeführt werden. Ich sagte euch, was ich euch sagen zu sollen für gut erachtete; aber ich werde mich wohl hüten, eine Entscheidung zu treffen ... Ihr bringt mir eure Forderungen; ich werde sie der Verwaltung vorlegen und euch ihre Antwort übermitteln.«
    Er sprach mit der vornehmen Miene eines hohen Beamten, vermied es, sich in diesen Fragen zu ereifern, war von der höflichen Trockenheit eines einfachen Werkzeuges der Autorität. Die Grubenarbeiter betrachteten ihn jetzt mißtrauisch und fragten sich, woher er komme, welches Interesse er daran haben könne zu lügen, und wieviel er wohl stehlen möge, indem er sich so zwischen sie und die wirklichen Herren stelle. Er sei vielleicht ein Ränkeschmied, ein Mann, den man bezahle wie einen Arbeiter, und der hier so fein lebe!
    Etienne wagte nochmals sich einzumengen.
    »Es ist wirklich zu bedauern, Herr Direktor, daß wir unsere Sache hier nicht austragen können. Wir würden viele Dinge erklären, wir würden Gründe finden, die Ihnen notwendigerweise entgehen ... Wenn wir nur wüßten, wohin wir uns wenden

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