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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Herzen. Die Arbeiter litten Hunger, aber auch die Gesellschaft sah ihre Millionen zusammenschmelzen. Warum sollte sie die Stärkere sein in diesem Kampfe der Arbeit gegen das Geld? In allen Fällen werde der Sieg ihr teuer zu stehen kommen. Man werde nachher ihre Toten zählen. Er ward wieder von einer Kampfwut ergriffen, von einem grausamen Bedürfnisse, ein Ende zu machen mit dem Elend --- selbst um den Preis des Lebens. Es war besser, das ganze Dorf ging auf einmal zugrunde, als daß man nach und nach vor Hunger und Unrecht verrecke. Er erinnerte sich schlecht verdauter Bücher, der Beispiele von Völkern, die ihre Städte in Brand steckten, um den Feind aufzuhalten, undeutlicher Geschichten, in denen Mütter ihre Kinder vor der Sklaverei retteten, indem sie ihnen die Köpfe auf dem Straßenpflaster zerschlugen, in denen Männer lieber Hungers starben, als daß sie das Brot der Tyrannen aßen. Dies begeisterte ihn; eine wilde Freudigkeit ging aus dem Anfall seiner dumpfen Trauer hervor, --- eine Freudigkeit, die den Zweifel verscheuchte und ihn wegen seiner flüchtigen Feigheit erröten ließ. In diesem Wiedererwachen seines Glaubens hatte er wieder Regungen des Stolzes, die ihn aufrichteten; er empfand wieder die Freude, ein Führer zu sein, dem man gehorche bis zur Aufopferung; er träumle wieder von der großen Macht, die er am Abende des Sieges in der Hand haben werde. In seiner Vorstellung sah er eine Szene von großartiger Einfachheit: wie er die Gewalt wieder in die Hände des Volkes legen werde, nachdem er einen Augenblick der Gebieter gewesen.
    Doch plötzlich erwachte er aus seiner Träumerei; Malieu erzählte ihm, er habe eine Forelle gefangen und für drei Franken verkauft. Man werde eine Suppe zu Nacht essen. Er ließ den Kameraden allein nach dem Dorfe zurückkehren und sagte, er werde ihm nachfolgen. Doch er ging zu Rasaeneur und wartete, bis der einzige Gast, der da war, die Trinkstube verließ. Dann teilte er Rasseneur mit, er wolle an Pluchart schreiben, daß er sogleich kommen möge.
    Sein Entschluß war gefaßt; er wollte eine vertrauliche Beratung einberufen; der Sieg schien ihm sicher, wenn die Bergleute von Montsou sich in Masse der Internationale anschlossen.
     

Viertes Kapitel
    In der Schenke »Zur Gemütlichkeit« bei der Witwe Désir fand am Donnerstag nachmittag die vertrauliche Versammlung statt. Entrüstet über den Jammer, den man ihren Kindern, den Bergleuten, verursachte, kam die Witwe aus dem Zorn nicht mehr heraus, besonders seitdem ihre Schenke sich leerte. Nie hatte sie einen weniger durstigen Streik gesehen; die Trunkenbolde sperrten sich zu Hause ein aus Furcht, das Verbot der Nüchternheit zu brechen. Die breite Straße von Montsou, wo es sonst an Feiertagen von Leuten wimmelte, lag jetzt still in trostloser Düsterkeit da. Nicht mehr floß das Bier in Strömen von den Schenktischen und aus den Bäuchen: das Rinnsal war trocken. Vor der Weinstube des Casimir und vor dem Wirtshause »Zum Fortschritt« sah man nur die bleichen Gesichter der Wirtinnen, die nach der Straße auslugten; in Montsou selbst zog die lange Straßenzeile sich menschenleer dahin von der Schenke des Lenfant bis zur Schenke des Tison vorbei an der Schenke des Piquette und dem Schnapsladen »Zum Kopfabschneider«; bloß im Gasthause Saint-Eloi, das von Aufsehern besucht wurde, gingen noch einige Schoppen ab. Die Verödung hatte selbst den »Vulkan« ergriffen, dessen »Damen« Arbeitsfeier hatten, weil es an »Kunstliebhabern« fehlte, obgleich sie ihren Preis von zehn Sous auf fünf Sous herabgesetzt hatten -- wegen der schlechten Zeiten. Es war eine wahre Trauer, die alle Herzen in der Gegend zu brechen drohte.
    »Herrgott«, rief die Witwe Désir, indem sie mit beiden Händen auf ihre Schenkel schlug. »Die Gendarmen sind an allem schuld. lch muß ihnen einen Schabernack spielen, und wenn ich hinterhin ins Loch gesteckt werde.«
    Alle Behörden, alle Dienstgeber waren für sie Gendarmen; es war dies in ihrem Munde ein Ausdruck allgemeiner Verachtung, mit dem sie die Feinde des Volkes umfing. Das Verlangen Etiennes hatte sie mit Begeisterung aufgenommen; ihr ganzes Haus gehörte den Bergleuten; sie werde den Ballsaal unentgeltlich herleihen, sie selbst die Einladungen versenden, da das Gesetz es fordere. Übrigens, wenn das Gesetz nicht zufrieden sei, umso besser. Es solle den Rachen aufreißen.
    Am nächsten Tage brachte ihr der junge Mann fünfzig Briefe zur Unterschrift; er hatte diese Briefe von

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