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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sei, daß zahlreiche Arbeiter da seien, die keine Einladung hätten.
    Der Lärm im Saale wurde immer größer. Man könne nicht so davonlaufen, man habe noch nicht gestimmt, weder für den Beitritt, noch für die Fortsetzung des Streiks. Alle redeten auf einmal. Endlich hatte der Vorsitzende den Einfall, daß man durch Zuruf stimmen soll. Einzelne streckten die Arme in die Luft, die Abgesandten erklärten in aller Eile, daß sie im Namen der abwesenden Kameraden beiträten. In dieser Weise wurden die zehntausend Bergleute von Montsou Mitglieder der Internationale.
    Mittlerweile hatte die Flucht begonnen. Den Rückzug deckend, hatte die Witwe Désir sich gegen die Tür gestemmt, welche die Flintenkolben der Gendarmen erschütterten. Die Bergleute sprangen über die Bänke und entflohen einer nach dem andern durch die Küche und die Holzkammer. Rasseneur war als einer der ersten verschwunden, Levaque folgte ihm; er vergaß seine Verwünschungen und dachte nur daran, sich ein Glas Bier anbieten zu lassen, um sich zu erfrischen. Etienne hatte sich des kleinen Holzkästchens bemächtigt und wartete mit Pluchart und Maheu, die es als eine Ehrensache betrachteten, als die letzten fortzugehen. Eben hatten sie den Saal verlassen, da sprang das Schloß ab, und der Kommissar befand sich der dicken Wirtin gegenüber, deren Bauch und Busen ihm noch immer den Weg verrammelten.
    »Was nützt es Euch, daß Ihr bei mir alles zerschlagt?« rief sie. »Ihr seht wohl, daß niemand da ist.«
    Der Polizeikommissar, ein bedächtiger Mann, der alle Aufregungen scheute, drohte ihr, sie ins Gefängnis abführen zu lassen. Dann ging er fort, um sein Protokoll aufzusetzen, und nahm seine vier Gendarmen mit, gefolgt von höhnischen Bemerkungen Zacharias' und Mouquets, die, den feinen Streich ihrer Kameraden bewundernd, sich über die bewaffnete Macht lustig machten.
    Im Seitengäßchen begann Etienne mit dem Kästchen unter dem Arme zu laufen, gefolgt von den übrigen. Plötzlich erinnerte er sich Pierrons und fragte, weshalb man diesen nicht gesehen. Maheu, der neben ihm herlief, erwiderte, daß er krank sei. Er leide an der Furcht, sich bloßzustellen. Man wollte Pluchart noch zurückhalten, doch dieser erklärte, daß er augenblicks nach Joiselle weiter reise, wo Legoujeux seine Befehle erwarte. Man rief ihm glückliche Reise zu, ohne im Lauf innezuhalten. Etienne und Maheu lachten vertraulich, sie waren jetzt des Triumphes sicher; wenn erst die Internationale Hilfsgelder schicke, werde die Gesellschaft sich aufs Bitten verlegen müssen, damit die Arbeiter wieder zur Grube anfahren. In dieser Aufwallung der Hoffnung, in diesem Galopp der plumpen Schuhe auf dem Pflaster von Montsou lag noch etwas anderes; ein düsterer, wilder Zug, eine Heftigkeit, deren Hauch alle Arbeiterdörfer ringsumher in ein Fieber versetzen sollte.
     

Fünftes Kapitel
    Wieder verflossen zwei Wochen. Man war in den ersten Tagen des Januar; kalte Nebel lagerten auf der unermeßlichen Ebene. Das Elend war noch schlimmer geworden; in der wachsenden Hungersnot verkümmerten die Arbeiterdörfer immer mehr. Viertausend Franken, welche die Internationale aus London gesandt hatte, genügten knapp, um für vier Tage Brot zu schaffen. Dann war nichts mehr gekommen. Das lange, leere Hoffen beugte alle Gemüter. Auf wen sollte man noch zählen, da die Brüder selbst sie verließen? Von der Welt abgeschnitten, fühlten sie sich völlig verloren mitten im tiefen Winter.
    Im Dorfe der Zweihundertundvierzig war man am Dienstag mit allen Hilfsmitteln zu Ende. Etienne und die Bevoll- mächtigten hatten sich vervielfacht; man eröffnete neue Sammlungen in den benachbarten Städten bis nach Paris; man hielt Vorträge, Beratungen. Doch diese Anstrengungen blieben ohne Erfolg; die öffentliche Meinung, anfänglich gerührt, wurde gleichgültig, als der Streik sich in die Länge zog und einen ruhigen Lauf ohne aufregende Zwischenfälle nahm. Die spärlich fließenden Almosen genügten kaum, um die allerärmsten Familien zu erhalten. Die anderen fristeten ihr Leben, indem sie ihre Schmucksachen verpfändeten, ihren Hausrat Stück um Stück veräußerten. Alles wanderte zu den Trödlern: die Wolle der Matratzen, die Küchengeräte, selbst die Möbel. Einen Augenblick glaubte man sich gerettet; die kleinen Krämer von Montsou, die Maigrat zu erdrücken drohte, hatten Kredit angeboten, um ihm so die Kundschaft wieder abzunehmen; der Gewürzkrämer Verdonck und die beiden Bäcker Carouble und

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