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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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wir schworen, nicht anzufahren; ich habe geschworen, ja, ich habe geschworen!«
    Die Menge horchte erstaunt, von einem Unbehagen ergriffen, als Etienne, der diese Szene verfolgt hatte, auf den Baumstumpf sprang und den Greis an seiner Seite behielt. Er hatte unter den in der ersten Reihe stehenden Freunden Chaval erkannt. Der Gedanke, daß auch Katharina da sein müsse, hatte ihn von neuem angefeuert, das Bedürfnis in ihm erweckt, in ihrer Gegenwart die Beifallskundgebungen der Menge zu empfangen.
    »Kameraden, ihr habt gehört; da ist einer unserer Alten: Ihr habt vernommen, was er gelitten hat, und was unsere Kinder leiden werden, wenn wir mit den Dieben und Henkern nicht aufräumen.«
    Er ward furchtbar; niemals hatte er mit solcher Heftigkeit gesprochen. Mit einem Arm hielt er den alten Bonnemort fest wie ein Banner des Elendes und der Trauer, das zur Rache aufruft. In hastig hervorgestoßenen Sätzen ging er bis zum ersten Maheu zurück; er schilderte diese ganze Familie, wie sie vom Bergwerk abgenützt, von der Gesellschaft aufgezehrt ward und nach hundertjähriger Arbeit hungriger war denn je; und vor diese ausgehungerte Arbeiterfamilie stellte er die von Geld überfließenden Bäuche der Verwaltung hin, die ganze Bande von Aktionären, die gleich Dirnen seit einem Jahrhundert ausgehalten wurden, nichts arbeiteten, sich nur ihres Leibes freuten. War das nicht furchtbar? Ein ganzes Volk -- vom Vater auf den Sohn -- ging in den Gruben zugrunde, um Ministern Trinkgelder zu bezahlen, um ganzen Geschlechtern großer Herren und Spießbürger die Mittel zu verschaffen, daß sie Feste geben oder hinter dem Ofen sitzend sich mästeten! Er hatte die Krankheiten der Grubenarbeiter studiert und zählte sie alle auf mit greulichen Einzelheiten: die Blutleere, die Skrofeln, die schwarze Bronchitis, das erstickende Asthma, die lähmenden Rheumatismen. Man warf die Elenden den Maschinen als Futter hin, man pferchte sie gleich dem Vieh in den Dörfern ein; die großen Gesellschaften verzehrten sie allmählich, regelten die Sklaverei und drohten, alle Arbeiter einer Nation einzureihen, Millionen Arme, um tausend Faulenzer zu bereichern. Doch der Grubenarbeiter war nicht mehr der Unwissende von ehemals, das im Innern des Erdreiches zermalmte Tier. Eine Armee wuchs aus den Tiefen der Gruben hervor, eine Ernte von Männern, deren Saat keimte und einst an einem sonnenhellen Tage die Erde zersprengen werde. Man werde dann sehen, ob man es wage, nach vierzigjährigem Dienste eine Pension von hundertfünfzig Franken einem sechzigjährigen Greise anzubieten, der Kohle spie, und dessen Beine vom Wasser der Kohlenschläge angeschwollen waren. Ja, die Arbeit werde das Kapital zur Rechenschaft ziehen, diesen unpersönlichen, dem Arbeiter unbekannten Gott, der irgendwo, im geheimnisvollen Dunkel seines Heiligtumes hockte, von wo er den Hungerleidern, die ihm nährten, das Blut aussog. Man werde ihn aufsuchen, ihm ins Gesicht schauen beim Lichte der Feuersbrünste, es im Blute ersäufen, dieses unflätige Schwein, diesen ungeheuerlichen, mit Menschenfleisch gemästeten Götzen.
    Er schwieg, aber sein Arm blieb ins Leere ausgestreckt, gleichsam um den Feind zu zeigen in weiter Ferne, er wußte nicht wo, von einem Ende der Erde zum andern. Das Geschrei der Menge war jetzt so laut, daß die Bürger von Montsou es hörten und nach der Richtung von Vandame blickten, von Unruhe ergriffen bei dem Gedanken an irgendeinen furchtbaren Einsturz. Nachtvögel flatterten in dem Gehölze auf und flogen unter dem unermeßlichen klaren Himmel dahin.
    Etienne wollte jetzt schließen.
    »Kameraden, was ist euer Beschluß? ... Stimmt ihr für die Fortsetzung des Ausstandes?«
    »Ja, ja!« heulten die Stimmen.
    »Und welche Maßregeln beschließet ihr? ... Unsere Niederlage ist sicher, wenn sich morgen Feiglinge finden, die anfahren.«
    »Tod den Feiglingen!« erbrauste es mit der Gewalt eines Sturmwindes.
    »Ihr beschließet also, sie an die Pflicht, an den geschwornen Eid zu mahnen ... Wir könnten folgendes tun: bei den Gruben erscheinen, die Verräter durch unsere Anwesenheit zurückjagen, der Gesellschaft zeigen, daß wir alle einig sind, und daß wir eher sterben als nachgeben werden.«
    »Ja, ja, zu den Gruben! zu den Gruben!«
    Etienne hatte, seitdem er sprach, Katharina mit den Augen gesucht unter den bleichen Köpfen, die vor ihm grollten. Sie war nicht da. Doch sah er noch immer Chaval, der die Achseln zuckte, um den Spötter zu spielen, von

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